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5 1/2 Wochen

5 1/2 Wochen

Titel: 5 1/2 Wochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Kürten
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wahrscheinlich gar nicht mehr von Autofahrern benutzt. Wo würden die auch hinwollen, da oben ist ja nichts los. Kurz vor acht verabschiede ich mich von den Aachenern mit einer Umarmung: „Buen Camino. Bis heute Abend in Roncesvalles.
    Als ich durch die „Bar“ das Haus verlassen will, sehe ich wieder - oder immer noch? - den Statuen-Mann haargenau so am Tisch sitzen, wie gestern Abend. Regungslos hält er einen Schlüssel in der Hand und schaut starr auf die Wanduhr. Was mag ihm wohl so durch den Kopf gehen? Die Herbergs- und Pensionsmutter kommt dazu und macht mir klar, dass das ihr Bruder sei, der mich jetzt nach Orrison fahren wolle. Ich werde dauernd überrascht, sogar schon am frühen Morgen. Die Statue kann Auto fahren?! Ich darf gespannt sein, was auf mich zukommt. Ich nicke ihm freundlich zu und... er schenkt mir ein klitzekleines Lächeln zurück. Er geht mir voraus, steigt in sein Auto und sitzt dort erst mal. Ja - so kenn ich ihn!
    Ich krieche mit dem höllischen Muskelkater so schnell ich kann, die steile Auffahrt zur Herberge hoch, um meinen Rucksack aus dem Zimmer zu holen. Ich höre, wie draußen ein Motor gestartet wird. Hektisch mein Gepäck raffend denke ich: „Oweia, der muss bestimmt dringend irgendwo hin und Orrison liegt zufällig auf seinem Weg. Bitte warte auf mich, fahre nicht ohne mich los. Ich bin dieses Stück Camino gestern schon gelaufen und weiß, wie steil es ist. Ich kann das nicht nochmal tun!“ Jetzt höre ich das Auto näher kommen. Er ist so freundlich, mich direkt vor meiner Terrassentür einsteigen zu lassen. Wie zuvorkommend von ihm! Ich stelle mein einziges Gepäckstück mit den Stöcken in den Kofferraum des alten, weißen, kleinen Lieferwagens und steige mit Ruddi vorne ein. Sofort fährt der Mann los - ohne ein Wort. Verunsichert durch sein Schweigen stammele ich nur: „Ich bin so froh, dass Sie mich nach Orrison fahren...“ Ich spreche sehr langsam und laut - vielleicht kann er so auch Deutsch verstehen. Mir ist schon mehrmals aufgefallen, dass, wenn jemand fremdartig spricht, viele Leute zwar einfach verzweifelt weiter in ihrer Sprache reden, aber langsamer und vor allen Dingen laut. Mit dieser Methode komme ich bei ihm nicht durch. Er winkt ab, kann mich nicht verstehen. Ich glaube, ich soll die Klappe halten.
    Im ersten - und nur im ersten! - Gang nimmt er den drei Kilometer langen, sehr steilen Weg nach oben. Der kleine Motor hat mein komplettes Mitgefühl, hoffentlich hält er durch. Na ja, auf dem Rückweg kann er sich ja entspannt einfach runter rollen lassen. Zum Glück hat das Auto einen kleinen Wendekreis, sonst müsste der Fahrer rangieren, um die Serpentinen zu bewältigen. Ich habe gestern schon beim Runterfahren mit dem Lehrer gebetet, dass uns niemand entgegenkommt. Auf diesem schmalen Weg hat nur ein Auto Platz. Ich möchte gar nicht wissen, wie die das hier bei Gegenverkehr machen. Das muss unglaublich spannend sein. Auf der einen Straßenseite klebt man meist direkt am Hang und auf der anderen stürzt man ab. Mein Gebet wurde erhört, und wir erreichen Orrison, ohne auf ein anderes Auto zu treffen.
    Jedoch sind drei Pilgerinnen unterwegs gewesen, die uns Platz machen mussten. Sie haben sich umgedreht und winkend in das Wageninnere geschaut. Plötzlich waren sie ganz aufgeregt mit ihrer Gestik und Mimik und haben mich angelacht. Als wir an ihnen vorbeigefahren sind, habe ich voller Entsetzen festgestellt, dass das meine Münchnerinnen waren. Die glauben doch jetzt zu recht, dass ich schummeln will und per Anhalter gefahren bin. Wenn ich bremsen könnte, hätte ich voll in die Eisen getreten und erklärt, wie es dazu kam, dass ich mich dieses Etappenstück gemütlich fahren lasse. Ich werde alles dafür tun, die Mädels nochmal wiederzusehen. Das muss ich denen doch sagen!
    Vor der Herberge, exakt an der Stelle, an der ich gestern „entführt“ wurde, stoppt der Wagen. Der Mann spricht immer noch nicht, stoppt nur. Ich bedanke mich überschwänglich und möchte ihm fünf Euro in die Hand drücken. Er schaut mich entsetzt an und lehnt mit einem Wort entschieden ab: „No!“ Mir wird klar, dass ich ihn beleidige, wenn ich das Geld nicht sofort wieder einstecke. Ich nehme meine Sachen aus dem Kofferraum und winke ihm mit einem „Merci beaucoup“ auf den Lippen zu. Er wendet und rollt davon, ohne mich eines Blickes zu würdigen. Jeder Jeck ist ja bekanntlich anders. Dieser ist ein besonders liebenswerter.
    Mir wird zum ersten Mal klar, dass ich ihn

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