5 1/2 Wochen
man ja wohl kaum „schmuggeln“ und die müssen doch auch fressen und saufen und überhaupt!!! Und Kinder? Gibt es Kinder, die bereit und willig sind, jeden Tag große Strecken zu laufen? Bisher habe ich noch kein einziges Pilgerkind gesehn.
Eine weitere Nachricht der anderen Peregrinos ist, dass die Herbergen in Sahagún voll sind und es gar nicht so viele Pensionen gib, wie Pilger unterwegs sind. Was? Ich will Luxus! Ich fackel nicht lange und bitte die Wirtin, für mich in Sahagún in einem guten Hotel ein Zimmer zu reservieren. Sie ist sehr freundlich und erledigt das sofort erfolgreich für mich. Sie schreibt mir die Adresse auf und wünscht mir eine erholsame Nacht.
Kurz vor dem Ortsausgang treffe ich doch tatsächlich auf Die-mit- den-Eseln-pilgern. Sie machen gerade Siesta auf dem menschenleeren „Marktplatz“ des 60-Einwohner-Dörfchens. Sie haben es sich auf einer überdachten „Pilger-Raststätte“ bequem gemacht. Die komplette Situation ist unwirklich. Zum ersten Mal sehe ich auf dem Camino so eine große, gepflegte, überdachte und gepflasterte Stelle, auf der sich auch noch drei lange saubere Bänke befinden. Ja - und dann stehen da zwei vollbepackte, an einer Holzsäule festgemachte, Esel drunter. Zwei Kinder, schätzungsweise vier oder fünf Jahre alt, knien auf einer der Bänke und knabbern gut gelaunt an ihrer Vesper.
Die Familie kommt aus Frankreich. Sie sprechen kein einziges Wort Deutsch und ich so gut wie kein Französisch. Das „Interview“ ist also sehr bewegungsintensiv. Mit Händen und Füßen erklären sie mir, wie es dazu kam, den Camino Francés auf diese Art zu gehen. Die beiden Kinder, die noch nicht zur Schule gehen, sollten unbedingt mit auf diese Reise. Da musste zum einen eine Möglichkeit her, das ganze Gepäck zu transportieren. Zum anderen war ihnen klar, dass sie die Kinder, wenn sie nicht mehr weiterlaufen wollen, nicht selbst tragen können und folglich täglich nur ganz wenige Kilometer pilgern könnten. Und so sind sie auf die Esel gekommen, die bereitwillig die Sprösslinge auf ihren Rücken durch die Lande schaukeln. Es gibt kaum Schwierigkeiten mit den Übernachtungen. Sie sprechen die Bauern an, ob sie gegen ein geringes Entgelt ihre Esel über Nacht auf einer ihrer Wiesen lassen dürfen. Das klappt fast immer. Die ganze Familie ist glücklich und zufrieden. Sie haben für sich eine Möglichkeit gefunden, alle zusammen diese Erfahrung zu machen. Ich bin tief beeindruckt und begeistert von dem Frohsinn, dem Mut und der Herzenswärme, die von dieser Familie ausgehen.
Sieben Kilometer gilt es noch bis Sahagún zu bewältigen. Gegen 15 Uhr machen mein Hund und ich uns auf den Weg. Wir gehen weiter neben der Nationalstraße entlang. Die Sonne versteckt sich hinter den Wolken und ich bin dankbar dafür. Irgendwo zwischen San Nicolás und Sahagún verlassen wir Palencia und kommen in die Provinz León. Mein Etappenziel ist schon lange am Horizont zu sehen, aber es kommt nur langsam näher. Ich kann es kaum erwarten, mein Hotelzimmer zu beziehen, zu duschen und dann irgendwo lecker zu essen. Ob ich wohl heute wieder den ein oder anderen mir bekannten Pilger treffe? Das wäre toll!
Gleicher Tag (insgesamt 418,2 km gelaufen)
Sahagún (2979 Einwohner), 829 m üdM, Provinz León
Hotel, Doppelzimmer, 32 Euro pro Person inklusive Frühstück
Der Einzug in Sahagún ist ein bisschen abenteuerlich. Der Weg verläuft über eine Bahnstrecke. Aber wo ist der Fußgänger-Überweg? Ich kann ihn nicht entdecken und stolpere mit meinem Gepäck und Ruddi im Schlepptau todesmutig einigen anderen Menschen über die freie Bahnstrecke hinterher. Mehrere Gleise und das ein oder andere Mäuerchen wollen auf diesem Weg überquert werden. In Schweiß gebadet von dieser körperlichen und mentalen Überanstrengung kommen wir auf der anderen Seite an.
Ich bin da! In aller Ruhe mache ich mich auf die Suche nach dem gebuchten Hotel. Das stellt sich als leicht heraus. Schon nach wenigen hundert Metern befinde ich mich auf der richtigen Straße. Das Haus ist genauso schnell gefunden. Wow! Das sieht echt nobel aus. Ein - für Pilger - großer Eingang führt direkt ins ersehnte Luxusdomizil.
Damit ich auch richtig genießen kann, ohne die Angst im Nacken, mein Hund könnte im Nachhinein entdeckt werden, lasse ich ihn für alle sichtbar und hoch erhobenen Hauptes an meiner Seite dieses Haus betreten. Wird schon gutgehen! Ich komme mir vor, als stünde ich in einem Palast. Antike Lampen
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