5 1/2 Wochen
und spanischen Worten. Noch bevor ich meinen Mund aufmache bleibt sie stehen, öffnet vorsichtig ihre Jacke, setzt die wertvolle Fracht behutsam vor sich ab und haucht Perrito ein Küsschen auf die Stirn: „Merci, mon petit (danke, mein Kleiner).“ Das nenne ich echte Verbundenheit. Ein kleiner Schritt für die Menschheit, ein Meilenstein für diesen Hund. Meine Pilgerfreundin liebt ihn tatsächlich so sehr, dass sie, ohne lange zu zögern, ihre Belange hinten anstellt, damit er keine Angst mehr haben muss.
Mit Tränen in Augen macht sie mir klar, wie sehr sie Ruddi liebt. Sie kann es sich nicht erklären, aber es vergeht kein Tag, ohne an ihn gedacht zu haben. Sein unbekümmertes, fröhliches Wesen, die unglaublich kraftvolle Energie, seine Erscheinung, die Art sich zu bewegen und hündisch mitzuteilen, faszinieren die Kanadierin seit der ersten Begegnung in Saint Jean Pied de Port. Wenn es nötig wäre, würde sie ihn ohne Zögern bei sich aufnehmen und dafür sorgen, dass er hundert Jahre alt wird. Es ist wunderbar, wie viel Liebe manche Menschen im Herzen und zu geben haben.
Kurz hinter Las Herrerías und einem gemeinsamen Café con leche trennen wir uns wieder. Die beiden Frauen sind nach einem Monat täglichem Laufen noch schneller bergauf unterwegs, als damals in den Pyrenäen. Ich mag die zwei sehr. Während die Distanz zwischen uns schnell größer wird, denke ich noch einmal amüsiert, aber auch dankbar darüber nach, wo ich wohl am ersten Tag auf dem Jakobsweg gelandet wäre, wenn sie mich nicht in Orrison in das, unter Marys körperlichem Einsatz, angehaltene Auto geschubst hätten, das mich nach Honto in die Herberge zurückgefahren hat. „Buen camino!“
Über Serpentinen geht es steil nach La Faba hinauf. Der Weg ist geteert und leicht zu beschreiten. Nach zwei Kilometern führt der gelbe Pfeil den Pilger auf matschige, durch die vielen Regengüsse der letzten Tage, kaum begehbare Viehsteige. Ich tu mir das nicht an, und ziehe die Landstraße vor. Es wird immer steiler. Ich treffe öfter auf Pilger, die genau wie ich den geteerten Weg gewählt haben.
Ab und zu hören wir vom offiziellen Camino, der einige Meter weiter unten an diesem Berghang durch den Wald verläuft, spitze Schreie. Anfangs mache ich mir Sorgen deswegen. An lichten Stellen sind die sich abmühenden Pilger zu sehen. Teilweise sind sie auf allen Vieren unterwegs. Ich frage laut rufend nach, ob Hilfe benötigt wird. „Nein, alles gut soweit. Sei froh, dass Du die Landstraße gewählt hast. Dieser Weg ist kaum begehbar. Es geht im Zickzack durch Matsch, über dicke Steine und viel Viehmist supersteil bergauf. Regelmäßig haut es einen von uns aus der Bahn.“ Sie haben sich da unten in Grüppchen zusammengetan, damit keiner auf der Strecke bleibt. Puh, da hab ich aber Glück gehabt!
La Faba liegt schon auf 917 Metern über dem Meeresspiegel. Ein Drittel des Höhenunterschiedes ist also geschafft. Es ist erst halb eins. Die Bar in La Faba hat eine wunderschöne Außenterrasse mit einem sagenhaften Ausblick auf die Bergwelt. Ich freue mich darauf, genau hier genüsslich bei einem Café con leche neue Kraft zu tanken, bevor ich mich an die nächsten sechs Kilometer rauf nach O Cebreiro mache. In der Bar ist ganz schön was los. Ich erkenne am Zustand der Kleider und Gesichter, wer über die Straße und wer über die Viehsteige den Berg erklommen hat. Egal, Klamotten kann man waschen! Alle sind glücklich, dass sie gesund hier oben ankommen sind.
Mit einer Tasse in der Hand zwänge ich mich, konzentriert darauf, nichts zu verschütten, durch die Menge an vielen besetzten Tischen vorbei Richtung Terrasse. Ruddi macht einen ungeplanten Schlenker nach rechts und begrüßt aufgeregt schwanzwedelnd zwei Pilger. Die Gesichter der beiden Menschen befinden sich momentan unterhalb der Tischplatte, weil sie mit meinem Hund beschäftigt sind. Nun will ich’s aber auch wissen: „Hola! Qué tal?“ sage ich, um die Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. Träume oder wache ich? Das sind Richard und Celin, die ich in Manjarín kennengelernt habe.
Nach einer stürmischen Begrüßung hake ich die Außenterrasse ab und setze mich zu den beiden. Sie sehen glücklich aus, strahlen über alle vier Backen. Sie übernachten diese Nacht nebenan in der kleinen Herberge. Obwohl es erst Mittag ist, bleiben sie einfach hier, weil es so schön ist. Die beiden genießen den Luxus, keinen Zeitdruck zu haben. Es ist egal wann sie Santiago erreichen. Seit Manjarin
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