5 1/2 Wochen
erscheinen.
Ich kann es kaum noch erwarten, mein Zimmer zu sehen. Ich werde nicht enttäuscht. Es ist schön warm, groß, hell, sehr sauber, modern und liebevoll eingerichtet. Das Bad ist ebenfalls ein Traum. Es ist wie bei Harry Potter. Du betrittst ein Zwei-Mann-Zelt und drinnen erschließt sich dir ein Schloss mit allem Drum und Dran. Ich sag doch schon lange, dass der Jakobsweg zauberhaft ist. Und ich weiß jetzt, warum im Wald kein Bett mehr frei war. Danke, ihr da oben im Universum!
Ich kann nicht anders! Ich muss die Señora mal kräftig drücken. Sie lässt es sich gerne gefallen, guckt aber ein bisschen skeptisch von Ruddi zum Bett. Ich kann ihre Sorge nachvollziehen und hole in ihrem Beisein das Hundebett aus meinem Rucksack. Ich kann hören, wie ihr ein Stein vom Herzen fällt, als Ruddi unaufgefordert hinein hüpft und sich sofort gemütlich einkringelt. Er lässt keinen Zweifel daran, dass er nicht vorhat, woanders zu schlafen. Nachdem sie sich erkundigt hat, ob ich zum Essen komme, bin ich alleine.
Die Anspannung des Tages ist weg und plötzlich ist die Luft bei mir raus. Ich falle aufs Bett und habe das Gefühl nie wieder aufstehen zu können. Nur der Hunger hält mich wach und weckt ein oder zwei Lebensgeister in mir. Ich rappel mich hoch. Alles tut weh. Keine andere Strecke vorher war so kräfteraubend wie die heutige. Das liegt wahrscheinlich größtenteils am Wetter. Die Wege sind ja nicht immer zentimetertief verschlammt. Als ich regungslos unter der wohltuenden heißen Dusche stehe wird mir wieder bewusst, dass man auf dem Camino Francés morgens nie weiß, was einen abends erwartet. Ohne Zweifel ist das hier nach dem Drecksloch von gestern ein Geschenk des Himmels.
Und noch eine tolle Überraschung wartet auf mich. Als ich zum Essen runterkomme ist der Comedor voll besetzt. An einigen Tischen entdecke ich noch einzelne freie Stühle. Ich versuche auf die schnelle zu erfühlen, wo ich wohl am besten aufgehoben bin. Die Angelegenheit ist schnell geklärt. Klagenfurt „is in the house“. Die Freude ist so groß, dass die anderen für einen Moment Messer und Gabel an die Seite legen. Das gibt’s doch gar nicht. Obwohl wir über viele Stunden exakt den gleichen Weg gegangen sind, sieht man sich den ganzen Tag nicht, aber abends im Hotel.
Wir trinken Wein, amüsieren uns köstlich, als ich von meinen gestrigen Zimmernachbarn erzähle und staunen gemeinsam darüber, zu welchen körperlichen Höchstleistungen wir alle in der Lage sind. Nein! Ich meine nicht die Jungs von gestern, ich meine den Jakobsweg an sich! Wir sind uns einig: So fertig man am Ende einer Etappe auch sein mag, das Gefühl angekommen zu sein bleibt unübertroffen und die Freude „alte“ Pilgerkollegen zu treffen, muss man selbst erleben. Das ist unbeschreiblich.
Freitag, 16. Mai 2008
Pitín (ca. 50 Einwohner), ca. 650 m üdM, Provinz Lugo
32. Etappe bis Vilachá, 26,9 km
In dieser Nacht habe ich besonders tief geschlafen. Mein Wecker holt mich von ganz weit her auf diese Welt zurück. Ich kuschel mich noch für ein paar Minuten tief in die Kissen, um dieses Zimmer zu genießen. Ob die Österreicher schon unterwegs sind? Vielleicht treffe ich sie ja auf einen Kaffee beim Frühstück! Bei diesem Gedanken, hält mich nichts mehr im Bett. Nichts wie raus aus den Federn! Zum Glück treibt mich kein Feueralarm, denn ganz so spontan komm ich dann doch nicht in Gang. Es gibt wieder neue Muskelgruppen in meinem Körper, die noch nicht richtig geölt sind. Es knirscht und reibt schmerzvoll in allen wichtigen Teilen.
Ganz vorsichtig schleppe ich mich erst mal bis zum Fenster. Aufrecht stehen? Unmöglich! Ich mach eine kurze Pause, tu mir selbst gegenüber so als wär nichts und schau ein bisschen auf die Dorfstraße herunter. Ich muss den Ablauf meiner Morgentoilette also gekonnt in vertretbare Abschnitte einteilen, dann wird es schon gehen. Die nächste Etappe reicht gerade bis zu dem Stuhl, auf dem meine Klamotten fein säuberlich abgelegt sind. Ich bücke mich unter Schmerzen die paar Zentimeter runter, um sie fassen zu können. Lieber Himmel, die Badezimmertür ist mindestens vier Meter entfernt, wie soll ich denn da hinkommen? Beruhigend ist ja, dass ich nochmal an meinem Bett vorbeikomme und da gegebenenfalls eine weitere kurze Pause machen kann. Mit viel Willenskraft erreiche ich das rettende Ufer. Wie ein Häufchen Elend liege ich mit den Füßen auf dem Boden und dem Oberkörper auf der Matratze und habe keine Ahnung,
Weitere Kostenlose Bücher