5 1/2 Wochen
wird, wenn die Anmeldung nicht unverzüglich erfolgt. Um die Situation nicht eskalieren zu lassen, gehorche ich und melde mich an. Tatsächlich hat der Hospitalero mein von Hermann gewünschtes Bett vergeben und mich mit einem anderen Menschen zusammengelegt. Mein Pilgerfreund beschwert sich resolut. Wir müssen wegen Ruddi zusammen untergebracht werden, aber das weiß der arme Mann ja nicht. Nach langem Hin und Her bekommen wir das gewünschte „Doppelzimmer“. Puh, das war knapp! Ruddi ist zwar mucksmäuschenstill, aber ein Fremder würde ihn trotzdem bemerken. Ob der dann beim Hunde-Schmuggel mitspielen würde, ist fraglich.
Ich bezahle das Bett mit 6 Euro und der Herbergsvater geht mit uns durch das Treppenhaus auf die erste Etage. Wir laufen einen langen Gang hinunter. Zu meiner Rechten befindet sich eine Fensterfront, die den Blick auf den Eingang und die Terrasse freigibt. Zu meiner Linken befinden sich die durchnummerierten Boxen, wie ich sie mal nennen möchte. Jede Box hat eine Doppel-Schwingtür, die oben und unten einen relativ breiten Schlitz vorweist. Na, das kann ja heiter werden! Es gibt keine richtige Tür, die geschlossen werden kann. Bin sehr gespannt, wie Ruddi damit klar kommt, alle anderen Pilger hautnah zu hören und zu riechen. Ich muss es darauf ankommen lassen. Mehr, als dass ich mitten in der Nacht rausfliege, kann ja nicht passieren.
Der Mann zeigt uns den zugewiesenen Schlafplatz. Es ist tatsächlich die drittletzte Kammer, die wir bekommen haben. Am Ende des Ganges befinden sich das Bad und die Toiletten. Na super! Dann herrscht hier die ganze Nacht reger Verkehr. Mein Hund wird seine helle Freude daran haben. Die Box selber ist winzig - schätzungsweise sechs Quadratmeter. Direkt hinter den Schwingtüren befindet sich jeweils ein eingebautes Regal in dem der Rucksack Platz findet. Daran anschließend stehen links und rechts je eine Liege, die höchstens 190 lang und 80 Zentimeter breit sind. Der Mittelgang ist einen guten Meter breit. Der Schwingtür gegenüberliegend gibt es ein vom Boden bis zur Decke reichendes Doppelfenster, in dessen zirka 30 Zentimeter großem Zwischenraum zum Beispiel die Schuhe lüften können.
Ich bin fix und fertig, kann mich kaum noch bewegen und auch nicht mehr stehen. Meine Füße versagen ihren Dienst. Sie drohen mir an, bei weiterer Belastung auseinander zu brechen. Ich muss mich kurz setzen, bevor ich zu Ruddi zurückgehe. Ich bin wütend. In der letzten halben Stunde wurde ich getrieben, gehetzt und auch jetzt drängelt Hermann wieder. Er hat Hunger, will endlich ein Bier trinken. Es gefällt mir gar nicht, wie er mit mir umzuspringen versucht. Es ist zwar bequem, wenn am Etappenziel bereits ein Bett für mich reserviert ist, aber ich fühle mich ihm gegenüber verhältnismäßig hoch verpflichtet. Hinzu kommt, dass er nicht ertragen kann oder will, wenn ich Zeit mit den anderen verbringe. Er benimmt sich so, dass ich ihn und mich rechtfertigen muss. Ich werde diesen Spießrutenlauf nicht länger mitmachen. Der spinnt wohl ein bisschen! Ich bin durchaus in der Lage, abends selbst eine Unterkunft für mich und Ruddi klarzumachen.
Ich beschließe in diesem Moment, heute keine Wäsche zu waschen, sondern das Gespräch mit ihm zu suchen. Ich kann nicht mehr. Er nimmt mir durch sein Verhalten das einzigartig belebende Glücksgefühl, das ich immer am Etappenziel habe: Der körperliche Schmerz ist wie weggeblasen, die Zweifel des Tages sind ausgeräumt. Ich habe dann das Bewusstsein, dass ich alles schaffen kann; Grenzen überschritten habe, von denen ich vor zehn Tagen nicht einmal wusste, dass es sie gibt; meine Seele und mein Kopf sind befreit. Es ist geschafft! Die Krönung dessen ist der Austausch mit anderen entspannten Pilgerfreunden. Das ist durch nichts zu toppen. Dieses Gefühl darf mir niemand nehmen. Es ist zu wichtig für mich. Deswegen bin ich hier. Und wie fühle ich mich jetzt, in diesem Moment? Ausgepowert, wütend, enttäuscht und das schlimmste ist, dass ich mich Hermann gegenüber verpflichtet fühle. Nein! Das kleine Kind in mir schreit mich an: „NEIN! Das tut mir nicht gut!“
Ich will eigentlich nur noch essen, duschen, meinen Körper entlasten und endlich schlafen. In diese Gedanken hinein, tönt völlig unvorbereitet Hermanns Frage, ob ich seine Wäsche mitmachen kann. Es ist ihm klar, dass es hier keine Waschmaschine gibt. He? Fremde Socken und was-weiß-ich-noch-für-Teile auf der Hand waschen? Ich halte das für eine
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