5. Die Rinucci Brüder: In Neapel verlor ich mein Herz
Ruggiero den Jungen ins Bett brachte. Er machte alles richtig. Er nahm ihn auf den Arm und küsste ihn, ehe er ihn hinlegte. Sie wusste jedoch, dass er nicht mit dem Herzen bei der Sache war. Er kam ihr vor wie ein Schauspieler, der seine Rolle perfekt spielte.
Als er ihr später auf die Terrasse folgte, sprach er zu ihrer Überraschung das Thema sofort an. „Ich verhalte mich immer noch nicht richtig. Kannst du mir verraten, warum das so ist?“, fragte er frustriert und setzte sich neben sie auf die niedrige Mauer.
„So, wie du mit dem Jungen umgehst, ist das zu seelenlos“, erwiderte sie. „Das spürt er, du kannst ihn nicht täuschen.“
„Irgendwie muss ich es doch schaffen, einen Zugang zu ihm zu finden.“
„Nur du allein kannst herausfinden, wie du am besten an ihn herankommst. Du bist zu verkrampft. Du überlegst die ganze Zeit, ob du alles richtig machst, und achtest zu sehr darauf, ob Matti so reagiert, wie du es dir vorstellst. Entspann dich, und lass dir von ihm den Weg zeigen.“
„Ich habe gehofft, du könntest mir da helfen.“
Sie schüttelte den Kopf. „Matti vermag das viel besser. Er ist so ein warmherziger kleiner Junge. Er wird dich lieben, wenn du ihn nur lässt.“
„Vielleicht ist das mein Problem. Ich bin ein hoffnungsloser Fall, was Liebe angeht. Warum gibst du nicht einfach auf?“
„Basta!“ Sie schlug ihn scherzhaft auf die gesunde Schulter . „Es reicht, hast du verstanden?“ „Aus dir wird noch eine richtige Italienerin.“
„Klar. Das Wort basta hat Matti übrigens auch schon aufgeschnappt. Du so lltest es ab und zu zu ihm sagen. Er ignoriert es natürlich genauso wie du, aber ihr wärt dann in null Komma nichts auf einer Wellenlänge.“
„Ich werde es mir notieren.“
„Wieso notieren? Dein Sohn ist kein Punkt auf einer langen Liste von zu erledigenden Sachen.“ Sein spöttischer Blick irritierte sie, und sie atmete tief durch. „Okay, ich helfe euch beiden, eine ganz normale Vater-Sohn-Beziehung aufzubauen. Ich schaffe es, es sei denn, ich sterbe vorher vor lauter Anstrengung.“
Er lachte laut auf. „Nein, tu das nicht. Wie soll ich ohne dich zurechtkommen?“
„Eines Tages musst du es sowieso.“
„Ja, nicht wahr?“ Es klang beinah so, als wäre es ihm erst jetzt bewusst geworden. „Es ist für mich schon zur Gewohnheit geworden, dass du hier bist.“ Ruggiero schüttelte den Kopf. „Noch nie zuvor habe ich mich auf jemanden verlassen. Bereits als ich laufen lernte, bin ich lieber hingefallen, statt mir helfen zu lassen. Mit Händen und Füßen habe ich mich dagegen gewehrt.“
„Sogar damals schon?“, fragte sie belustigt.
„Ja. Merkwürdigerweise geht es mir bei dir anders. Auf der Rennstrecke, bei unserer ersten Begegnung, habe ich mich instinktiv an dich geklammert, weil ich Sicherheit brauchte, obwohl es mir da noch nicht bewusst war.“
„Trotzdem hast du wie wild um dich geschlagen und mich umgestoßen“, erinnerte sie ihn lächelnd. „Das habe ich nicht vergessen. Matti hat dich kürzlich auch so mies behandelt. Der Apfel fällt eben nicht weit vom Stamm, wie man so schön sagt.“ Er sah sie aufmerksam an. „Warum erträgst du mich überhaupt?“
„Keine Ahnung. Es muss etwas mit dem großzügigen Gehalt zu tun haben, das ich bekomme.“ „Ja, wahrscheinlich.“
Eine Zeit lang herrschte Schweigen. Dann begegnete Polly seinem Blick und fragte sich, ob Ruggiero sich wohl daran erinnerte, was an jenem Abend in ihrem Zimmer geschehen war – oder beinah geschehen wäre.
„Es tut mir übrigens leid, dass ich diesen Anfall hatte und nicht aufhören konnte zu weinen. Das passiert mir normalerweise nicht.“
„Du solltest aber öfter weinen. Dabei hast du etwas losgelassen, was sich ein ganzes Jahr lang in dir aufgestaut hatte. Ich bin froh, dass ich dir ein bisschen helfen konnte.“
Als er ihre ungläubige Miene bemerkte, fügte er hinzu: „Ich meine es ernst. Ich lege großen Wert darauf, meine Schulden zu begleichen.“
„Ich bekomme ja ein großzügiges Gehalt“, erinnerte sie ihn.
„Oh ja, du glaubst ja nicht, wie froh ich bin, dass wir zu deinem und Brians zukünftigem Glück beitragen können. Hoffentlich gibst du von dem Geld auch etwas für dich persönlich aus.“ „Nein. Warum auch? Ich habe alles, was ich brauche.“
„Könnten dich nicht doch ein elegantes Kleid und neue Schuhe reizen?“
„Deine Mutter hat mir genug elegante Outfits gekauft.“
„Einmal gut essen gehen wäre auch nicht
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