5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen: Einsichten, die Ihr Leben verändern werden (German Edition)
noch nicht bereit. Wenn es mir gelang, im Haus zu saugen, was mich schrecklich viel Energie kostete, dann war das schon eine echte Leistung, für die ich mich selbst lobte: » Gut gemacht, Bronnie, heute hast du schon etwas zustande gebracht. « Früher hätte ich fünf Häuser gestaubsaugt, wäre Mittag essen gegangen, ein paar Kilometer gewandert und dann noch eine Stunde geschwommen. Aber so ist das eben, wenn eine Depression zuschlägt– sie bestimmt, wo es langgeht.
Das Beste, was Freunde und liebe Verwandte tun können, besteht darin, den Zustand des Kranken zu akzeptieren. Vielleicht kommt er da raus, vielleicht auch nicht. Die Chancen stehen nicht schlecht, dass er es übersteht, vor allem, wenn er es selbst will. Die akzeptierende Haltung von Menschen, die ihn lieben, verstärkt dieses Potenzial. Doch durch Druck wird es verringert. Der Leidende muss ebenfalls akzeptieren, dass sein Leben gerade an diesem Punkt ist, denn sonst würde er sich selbst unter Druck setzen, was wiederum die Symptome nur verstärken würde. Es dauerte eine Weile, bis ich diesen Zustand erreichte, während ich mit meiner Unfähigkeit rang, ein normales Leben zu führen.
Meine Rückkehr zum Landleben hatte etwas in meinem tiefsten Inneren angezapft und holte den Schmerz herauf, der seit meiner Jugend und meiner Zeit als junge Erwachsene in mir geschlummert hatte, denn damals hatte ich in einer ganz ähnlichen Umgebung gelebt. Als ich mein Tempo verlangsamte, zu meinen Wurzeln zurückkehrte und gleichzeitig aufhörte, meine ganze Energie in die Pflege anderer Menschen zu stecken, war der Deckel dieses Fasses voller Schmerzen aufgegangen, das vor Jahrzehnten so sicher und gewaltsam verschlossen worden war. In den letzten zehn Jahren, als ich anfing, die Dinge herauszulassen, derer ich mir bewusst war, war immer mal ein bisschen durchgesickert. Doch jetzt stieg die äußerste Traurigkeit an die Oberfläche, grausam und schmerzhaft, und sie kam nicht nur aus bewussten, sondern auch aus unbewussten Ebenen. Der Schmerz über die jahrelange Kritik in meiner Jugend, darüber, nicht akzeptiert worden zu sein, wie ich war, über die Beschimpfungen und das Lächerlichmachen, dem ich ausgesetzt gewesen war– dieser ganze angestaute Schmerz stieg nun hoch, ohne dass ich es zunächst merkte. Ich weinte und weinte.
Wenn man wirklich gesund werden will, hat man keine andere Möglichkeit als die, sich den Dingen zu stellen– dem Schmerz, der Würdigung des eigenen Leidens, den Möglichkeiten des Wachstums, der Notwendigkeit der Genesung und der Notwendigkeit, Kraft in sich zu finden, indem man irgendwann stärker wird als der Schmerz. Doch diesen Lernprozess kann einem niemand abnehmen. Die Liebe von anderen hilft natürlich, und meine liebe Mutter und ein paar alte Freunde unterstützten mich sehr. Doch heilen musste ich mich letztlich selbst, da gab es kein Entkommen. Es wurde Zeit, dass ich mich mir selbst stellte. Und es wurde auch Zeit, diese Dinge aus meinem allertiefsten Inneren herauszulassen.
Die Erleichterung kam über verschiedene Wege. Durch Weinen natürlich. Oder indem ich mir alles von der Seele schrieb. Und zum ersten Mal in meinem Leben schrie ich auch alles aus mir heraus, ein richtig lautes Schreien. (Zuvor hatte ich ein einziges Mal wirklich geschrien, wenn auch unwillkürlich, als ich einmal aus einem Flugzeug gesprungen war.) Aber jetzt schrie ich auf eine andere, ganz ursprüngliche Art. Ich war dankbar, so weit von den anderen Häusern entfernt zu wohnen, so dass ich genug Privatsphäre hatte, um dieses Chaos so zu überstehen, wie es mir mein Zustand an dem jeweiligen Tag diktierte. Ich schrie die Dinge heraus, die ich als junges Mädchen so gern zu den Leuten gesagt hätte, die mich verletzt hatten. Ich brüllte auch einfach Schmerzlaute, keine Worte. Ich schrie den tiefen Frust hinaus, in dieser Situation zu stecken, und den schrecklichen Schmerz, den ich durchmachte. Ich schluchzte unkontrolliert, blieb erschöpft liegen, und irgendwann begann ganz allmählich meine Heilung.
In sentimentaleren Zeiten hatte ich Lernprozesse gern mit einer Rose verglichen. Wir legen eine Schicht nach der anderen von unserem kostbaren, verletzlichen Selbst frei, und irgendwann gelangen wir zur Mitte, zum Kern. Doch in meinem Zustand bodenloser Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit verwarf ich diese Theorie zur Gänze und beschloss, dass Wachstum sich eher anfühlt, als würde man eine riesige Zwiebel pellen. Mit jeder neuen Schicht, die
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