5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen: Einsichten, die Ihr Leben verändern werden (German Edition)
rechtzeitig wieder geöffnet worden, so dass die Wunden heilen konnten, solange Charlie noch am Leben war.
Am Tag seines Todes saßen Greg und Maryanne rechts und links von ihrem Vater und hielten seine Hände. Auf ihre Bitte setzte ich mich mit ins Zimmer. Er schlief friedlich ein. Seine Atemzüge wurden immer langsamer, bis sie ganz ausblieben. Es war ein heller Morgen, und wie immer sangen die Vögel vor seinem Fenster, was dem Moment eine gewisse Schönheit verlieh. Sie gaben ihm singend das Geleit.
Ich ließ Greg und Maryanne allein und setzte mich eine Weile auf die Veranda, wo ich meine eigenen Erinnerungen an Charlie Revue passieren ließ und ihm meine Gebete und guten Wünsche mit auf den Weg gab, wo auch immer er jetzt sein mochte. Als ich wieder hereinkam, saßen die Geschwister auf derselben Seite des Bettes, hielten sich bei der Hand und betrachteten ihren Vater. Sie lächelten unter Tränen und sprachen mit Freude von ihm.
Ungefähr ein Jahr später bekam ich eine Mail von Greg. Seine Familie und er hatten ihr großes Haus verkauft. Er hatte sich von seiner Firma versetzen lassen, verdiente jetzt weniger Geld und wohnte in einer ländlichen Kleinstadt. Er musste genauso weit in die Arbeit pendeln wie früher, aber jetzt war es eine Landstraße, die in die nächstgrößere Stadt führte, und er brauchte für die Strecke nur noch die Hälfte der Zeit. Das verschaffte ihm jeden Tag anderthalb Stunden mehr Zeit für seine Kinder. Die Lebenshaltungskosten waren ebenfalls niedriger, weil ihr Leben einfacher geworden war. Dahingegen hatte sich ihre Lebensqualität enorm verbessert. Seine Frau war jetzt glücklich, sie mochten ihre neuen Freunde und ihren Lebensstil. Er dankte mir, dass ich mich um seinen Vater gekümmert hatte, und sprach auch mit liebevollen Worten von Maryanne, die anscheinend gerade erst zu Besuch bei ihm gewesen war.
Verständlicherweise freute mich diese Mail enorm. Sie ließ mich gedanklich zurückreisen zu Charlie, seinen blauen Augen, seinem entzückenden Lächeln und zu unseren Gesprächen. Zu wissen, dass seine Worte nicht nur gehört, sondern tatsächlich umgesetzt worden waren, war ein wunderbares Gefühl.
Das Beste an der ganzen Mail waren jedoch Gregs Abschlussworte. Er wünschte mir für mein Leben alles Gute und setzte darunter als eine Art Fazit zwei Worte. Ich musste übers ganze Gesicht grinsen.
Lebe einfach.
Allerdings, Greg und Charlie. Allerdings.
Versäumnis Nummer 3 :
Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, meinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen.
Für einen Vierundneunzigjährigen, der gerade im Sterben liegt, sah Jozsef bemerkenswert gut aus, als wir uns zum ersten Mal trafen. Er war ein sanfter Mensch mit einem wundervollen Lächeln, mit dem er manchmal wie ein kleiner Junge aussah. Mit seinem leisen, aber sehr schlagfertigen Humor war er mir auf Anhieb sympathisch.
Jozsefs Familie hatte beschlossen, ihm nicht zu sagen, dass er sterben würde. Das fand ich zwar schwierig, aber ich versuchte, diese Entscheidung so gut wie möglich zu respektieren. Im Laufe der nächsten Wochen verschlechterte sich sein Gesundheitszustand jedoch so drastisch, dass man unmöglich darüber hinweggehen konnte. Er konnte nicht einmal mehr ohne Hilfe stehen. Von Tag zu Tag war er mehr auf meine Kraft angewiesen. Man musste nicht erst auf seine Krankheit hinweisen, sie war offensichtlich, sobald er versuchte zu stehen oder sich aufzusetzen, und bei jeder unserer gemeinsamen Bemühungen nahmen wir das schweigend zur Kenntnis. Während seine Familie also weiterhin ihre Scharade veranstaltete und ihm nichts von seiner unheilbaren Krankheit sagte, begann Jozsef langsam zu dämmern, was los war. Er war wirklich sehr krank.
Er bekam Medikamente, um seine Schmerzen so gut wie möglich zu unterdrücken. Doch wie bei vielen anderen gehörte auch bei ihm Verstopfung zu den Nebenwirkungen. Es gibt Tabletten, die diese Nebenwirkung bekämpfen sollen, aber bei Jozsef schlugen sie nicht so gut an. Also musste ich der Darmentleerung nachhelfen, indem ich dem armen alten Kerl Medikamente ins Rektum einführte. Wenn man erst einmal so krank ist, ist es mit jeder Intimsphäre vorbei. Jedenfalls konnte man kaum noch von Würde sprechen, wenn Jozsef sich auf die Seite drehen musste, damit ich ihm den kleinen Schlauch einführen konnte. Ich versuchte natürlich, der Situation die Peinlichkeit mit ein paar Worten zu nehmen, die ich mich später noch oft zu anderen Patienten sagen hörte.
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