5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen: Einsichten, die Ihr Leben verändern werden (German Edition)
warten, bis der Anruf durchgestellt wurde, damit war ich einverstanden. Also tauschten wir zum Abschied noch eine warme, liebevolle Umarmung, bevor sie Lorraines Nummer wählte. Mir schlug das Herz bis zum Hals vor lauter Aufregung.
Doris umklammerte den Hörer, und als sie die Stimme ihrer Freundin hörte, hellte sich ihr Gesicht vor Freude auf. Doris’ Stimme klang genauso alt wie die von Lorraine, aber der Geist dieses Telefongesprächs war eher so, als würden zwei junge Frauen plaudern. Innerhalb kürzester Zeit lachten sie und schwatzten ohne Pause. Unterdessen räumte ich das Zimmer auf, wirtschaftete ein wenig herum und konnte mich einfach nicht von diesem unglaublichen Glück losreißen. Aber irgendwann ging ich dann doch. Als ich an der Tür stand, winkte ich der strahlenden Doris wortlos zu. Sie hielt einen Moment inne, bat Lorraine zu warten und sagte zu mir: » Danke, Schätzchen. Vielen Dank. « Ich nickte und lächelte so breit, dass mir das Gesicht wehtat. Als ich den Flur hinunterging, hörte ich Doris immer noch lachen, bis die Tür endgültig zufiel. Aber ich lächelte, bis ich zu Hause war.
Es war ein wunderschöner Tag, der geradezu zum Schwimmen einlud. Immer noch in Hochstimmung tauchte und schwamm ich mehrere Stunden und genoss das Wasser, das mich umgab. Zu Hause bekam ich kurz nach Sonnenuntergang einen Anruf von Rebecca, der netten Kollegin, die ich an meinem Abend dort kennengelernt hatte, als ich auch Doris traf.
Die liebe Doris war noch am selben Nachmittag im Schlaf verstorben.
Mir liefen die Tränen übers Gesicht, aber es lag neben der Trauer auch Freude darin. Immerhin war die liebe alte Dame glücklich gestorben.
Es ist unglaublich, wie ein bisschen Zeit das Leben eines Menschen so verändern kann. Wenn ich an die einsame Frau denke, die ich am ersten Abend kennenlernte, und sie mit dem Menschen vergleiche, den ich an seinem letzten Tag umarmte, gibt es kein Geld, das mir diese Befriedigung ersetzen könnte.
In Pflegeheimen auf der ganzen Welt gibt es Tausende von wunderbaren, aber sehr einsamen Menschen. Es gibt auch viele junge Menschen, die ihr Leben in Pflegeheimen verbringen müssen. Aber ob jung oder alt– ein paar Stunden pro Woche mit einer neuen Freundschaft kann für diese Menschen und das letzte Kapitel ihres Lebens einen ganz dramatischen Unterschied bedeuten. Natürlich wäre es am besten, wenn man die Leute gar nicht erst ins Pflegeheim bringen müsste, aber das ist leider nicht immer möglich. Es leben viele Menschen in Heimen, die gar nicht dort leben sollten, Menschen, derer man sich quasi entledigt hat. Es ist schrecklich, so etwas mit anzusehen. Wenn man solchen Leuten jedoch ein bisschen Zeit schenkt, kann man ihr Leben einschneidend verändern.
In meinen Augen war das Timing für Doris’ Tod perfekt. Ihre Zeit war gekommen, und sie war glücklich gewesen. Wir hatten die Rolle gespielt, die wir jeweils im Leben des anderen hatten spielen sollen, und dafür werde ich immer dankbar sein. Sie war eine sehr liebenswerte Frau. Lorraine und ich begegneten uns wenig später. Das Telefonat hatte ewig lang gedauert, erzählte sie, und als sie am Ende auflegten, waren beide sehr glücklich. Wir saßen in einem Café unter Bäumen und unterhielten uns fröhlich über Doris und das Leben im Allgemeinen, bis es Zeit wurde, Lorraine heimzufahren. Es hatte mich sehr gefreut, nach Doris auch noch ihre Freundin kennenzulernen.
Und natürlich hoffte ich, dass unsere liebe Freundin all ihre anderen Freunde wiedertraf, als sie hinüberging.
Freunde bis in den Tod
Der hektische Rhythmus von Sydney begann langsam an mir zu zehren. Da sich kein Housesitting-Auftrag am Horizont zeigen wollte, gab es auch nichts, was mich in dieser Stadt hielt, also zog ich südwärts, um in Melbourne ein neues Kapitel aufzuschlagen. Es war schon mehrere Jahre her, dass ich von dort weggegangen war, deswegen fand ich es wunderschön, wieder hier zu sein, die Freuden so einer herrlich kreativen Stadt zu genießen und alte Freunde wiederzutreffen. Außerdem war mir mein Ruf als Housesitter vorausgeeilt, und im Handumdrehen war ich wieder gebucht.
Das erste Haus, in dem ich einzog, war das Ferienhäuschen von Marie, meiner Chefin im Pränatalzentrum in Sydney. Es lag ungefähr eine Stunde südlich von Melbourne, auf der wunderschönen Mornington-Halbinsel, und da es durch und durch von ihrer Energie geprägt war, fühlte ich mich sofort wie zu Hause. Bei meiner Ankunft war Herbst, und in den
Weitere Kostenlose Bücher