5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen: Einsichten, die Ihr Leben verändern werden (German Edition)
Kirchenglocken und Kühe, die sich in der Nacht bewegten. In dieser herrlichen kleinen Hütte in den Alpen zu sitzen und bei Laternenlicht zu schreiben, während in der Ferne die Kuhglocken bimmelten, war so ein Glücksgefühl, dass ich einfach lächeln musste. Diese Welt war so weit von meiner eigenen entfernt, doch obwohl mich der Frieden dieses Augenblicks überwältigte, vermisste ich ganz fürchterlich meine alten Freunde.
Es war die perfekte Nacht– aber mit den falschen Leuten. Es gab viele Gründe, jeden dieser drei Reisegenossen zu mögen, und ich mochte sie ja auch. Doch jetzt erlebte ich gerade einen ganz besonderen Moment, und ich hätte ihn so gern mit den richtigen Leuten geteilt, mit Freunden, die mich wirklich kannten. Das war freilich unmöglich. Und so genoss ich diesen köstlichen Augenblick ganz allein.
Ich wusste deshalb genau, was Elizabeth meinte mit ihrem Wunsch, jetzt die richtigen Freunde um sich zu haben. Manchmal gibt es eben nur ganz bestimmte Menschen, die einen bedingungslos verstehen– und das sind die alten Freunde. So hatte ich es in dieser Nacht in den Alpen empfunden, und so war es jetzt für Elizabeth, als sie zu akzeptieren begann, dass sich ihr Leben dem Ende näherte.
Als der Arzt auf Visite kam, fragte ich ihn unter vier Augen, ob es in Elizabeths Zustand einen Unterschied machen würde, wenn sie Alkohol trank. Er schüttelte den Kopf. » Nein. Sie ist jetzt so oder so auf der Zielgeraden. Ich habe der Familie gesagt, wenn die Patientin abends mal einen Brandy möchte, sollen sie ihr das ruhig erlauben. Tun sie das denn nicht? « Ich schüttelte den Kopf, und er wiederholte, dass es jetzt wirklich keinen Unterschied mehr machte.
Später sprach ich ihre Verwandten ganz ruhig darauf an, aber sie blieben hart. Die Familie hatte es so beschlossen, und nein, sie würden ihr keinen Alkohol mehr geben. Sie erklärten mir auch, warum. Die Elizabeth, mit der ich meine Zeit verbrachte, und die Elizabeth, die unter Alkoholeinfluss stand, waren zwei völlig verschiedene Persönlichkeiten. Tatsächlich konnten sie es alle kaum glauben, wie angenehm sie jetzt wieder war, denn seit mindestens fünfzehn Jahren hatte sie keiner mehr so erleben dürfen.
In den nächsten Wochen fragte ich genauer nach, wenn sie auf ihre Alkoholsucht zu sprechen kam. Elizabeth meinte, sie hätte zwar immer noch ein starkes Verlangen danach, aber andererseits war sie auch irgendwie froh, sich noch einmal daran zu erinnern, wer sie gewesen war, bevor der Alkohol die Kontrolle über ihr Leben übernahm. Es hatte eigentlich ganz harmlos angefangen. Sie hatte zum Abendessen mit der Familie immer ein paar Gläschen Wein getrunken, und das habe sie jahrelang ohne Probleme so gehalten.
Doch dann wurde sie sozial aktiver und trat Gremien verschiedener Wohlfahrtsorganisationen bei. Sie gab zu, dass die meisten, die sie dort traf, gar nicht übermäßig tranken, aber sie hatte sich zu denen hingezogen gefühlt, die es taten. Zu Hause fühlte sie sich gar nicht mehr wahrgenommen, aber unter diesen neuen Freunden war sie jemand. Jetzt, wo sie wieder klarer sah, wusste sie natürlich, dass all diese Leute genauso bedürftig gewesen waren wie sie, dass sie durch diesen Freundeskreis und ihr Trinken versucht hatten, sich ihres Wertes zu versichern.
Der Alkohol gab ihr Selbstvertrauen, erzählte Elizabeth, beziehungsweise, wenn sie betrunken war, hatte sie das Gefühl, sie würde selbstbewusst auftreten. Doch in Wirklichkeit wurde sie nur sehr direkt, laut und irgendwann bitter und gemein. Damit hatte sie auch ihren alten Freundeskreis verloren. Man hatte versucht, mit Liebe auf sie zuzugehen und sie zu unterstützen, damit sie ihren eigenen Niedergang erkannte, der ihnen allen schier das Herz brach. Doch sie reagierte arrogant und stieß alle zurück.
Ihrem alkoholisierten Geist schienen ihre neuen Freunde unheimlich loyal, weil sie sie für ihre Trinkerei nicht verurteilten. Doch das lag nur daran, dass sie selbst tranken. Der andere Grund, mit dem sie ihre Trinkerei in diesen Jahren vor sich selbst gerechtfertigt hatte, war der, dass ihre Familie sie jetzt wenigstens wahrnahm. Vielleicht nicht gerade positiv, aber sie fühlte sich zumindest nicht mehr ignoriert wie vor ihrer Alkoholsucht. Ihr Kontrollverlust garantierte ihr die Aufmerksamkeit ihrer Familie.
Je hilfloser Elizabeth wurde, umso mehr mussten ihre Verwandten ihr helfen, und umso mieser begann sie sich irgendwann zu fühlen. Anfangs hatte ihr die ganze
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