5 Tage im Sommer
getan, was sie hatte tun müssen. Sie hatte daran geglaubt.
»Sie ist meine Tochter, Will. Meine Tochter !«
Will drehte sich um und sah seine Söhne an.
»Dad«, sagte David leise und gefasst.
»Raus, beide. Und zwar auf der Stelle.«
Sam rannte hinaus, aber David blieb stehen und starrte seinen Vater an.
»Jetzt.’«
David drehte sich langsam um und ging. Die vordere Fliegentür knallte hinter ihm zu.
Sarah stand wartend da und blickte Will an. Sie war sich vor ihm noch nie so bloßgestellt vorgekommen. Will schüttelte langsam den Kopf und schloss die Augen. Er sah unendlich müde aus. Sarah hatte sich gerade entschieden, auf ihn zuzugehen und ihn zu umarmen – er war ihr Schwiegersohn, fast ihr eigenes Kind –, als die Vordertür kreischend aufging.
»Dad!« David rannte ins Haus. »Die Polizei ist draußen.«
KAPITEL 8
D etective Amy Cardoza fuhr kurz vor ein Uhr am Haus der Parkers vor. Es war ein langer Morgen gewesen. Police Chief Kaminer hatte von dem neuen Vermisstenfall gehört und Snow befohlen, bis zum Appell zu bleiben, dann nach Hause zu fahren und sich kurz auszuruhen. Das beunruhigte Amy ziemlich. Nach drei Jahren Streifendienst war sie gerade erst zum Detective befördert worden und hatte noch keinen Partner, mit dem sie zusammenarbeitete. Snows Partner war vor kurzem in den Ruhestand versetzt worden. Amy hatte gehofft, dass Kaminer die Karten neu mischen und ein anderes Team trennen würde, aber es sah nicht so aus. Im Gegenteil, Kaminer hatte Snow für fünfzehn Uhr auf die Wache zurückbestellt. Die Vermutung, dass er mit Amy zusammen für den Tagesdienst eingeteilt würde, lag auf der Hand. Und das gefiel ihr ganz und gar nicht.
Ihr Verhältnis zu Snow stand unter keinem guten Stern. Seine Familie war mit der Mayflower gekommen, in Plymouth gelandet und hatte auf dem Cape gesiedelt. Ihre war hundert Jahre später auf einem Walfänger aus Portugal gekommen, lange genug nach den Engländern, um von ihnen als Eindringlinge angesehen zu werden. Dennoch waren sie geblieben. Zweihundert Jahre lang. Ihr Vater war das erste Familienmitglied gewesen, das das Cape verlassen hatte. Er hatte eine irische Schauspielerin geheiratet, die mit einem Sommerensemble in der Stadt aufgetreten war. Dann war er mit ihr nach Boston gezogen, um sich ihrer umfangreichen Familie anzuschließen. Amy und ihre beiden jüngeren Schwestern hatten alle die helle Haut ihrer Mutter und das pechschwarze Haar und die braunen Augen des Vaters. Ihr Vater hatte sie scherzhaft seine »portugiesischen Blumen« genannt. Sein Ziel war es gewesen, dass sie als wahre Amerikanerinnen Jura, Medizin oder BWL studieren würden, um den langen Prozess der Assimilierung zu vollenden. In Cape Cod sollten sie nichts weiter sehen als einen Ort, den er hinter sich gelassen hatte, das war sein Credo gewesen.
Als Amy sich entschied, die Polizeiakademie zu besuchen, und schließlich auch noch die Berufung nach Cape Cod annahm, hatte niemand in der Familie sie verstanden. Sie erfuhr sehr schnell am eigenen Leib, warum ihr Vater fortgegangen war. Auf dem Cape waren Ehen zwischen Portugiesen und Schwarzen Tradition, und darum wurden die Portugiesen wie die Schwarzen behandelt: als Bürger zweiter Klasse. Vor allem von blütenweißen Einheimischen wie den Snows. Für die Blaublütler waren sie wie die Sommergäste – ewige Außenseiter, deren Anwesenheit nur toleriert wurde, weil sie die Wirtschaft ankurbelten.
Sie wusste, dass Snow sie schon aufgrund ihres Namens verabscheut hatte, bevor er sie überhaupt kennen gelernt hatte. All die Jahre, die sie Streife gefahren war, hatte er sie ignoriert. Und jetzt hatte sie sogar die Kühnheit besessen, in seinen Rang aufzusteigen.
Ihre Kollegen frotzelten schon, dass Kaminer nur gelangweilt war und nach Unterhaltung suchte. Nur, Amy würde sich nicht einschüchtern lassen. Sie würde es allen zeigen und der beste Detective werden, den sie je gesehen hatten.
Vor dem Haus der Parkers standen zwei Jungen, warfen Steine die Straße hinunter und kennzeichneten die Stellen, wo sie gelandet waren, mit Kreidestrichen. Der jüngere ging ganz in dem Spiel auf, der ältere hingegen bemerkte den Streifenwagen und rannte ins Haus. Amy hatte noch keinen zivilen Wagen zugeteilt bekommen, und sie vermutete, dass Kaminer ihr auftragen würde, sich mit Snow dessen Wagen zu teilen.
Sie parkte das Auto vor einem üppigen Sommergarten, der von handgeschichteten Steinen umrahmt war, stieg aus dem Wagen und lächelte
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