5 Tage im Sommer
versuchen, sich etwas Ruhe zu gönnen«, schlug Amy vor. »Niemand kann richtig denken, wenn es ihm an Schlaf mangelt. Es würde helfen, die Dinge in die richtige Perspektive zu setzen.«
Will schüttelte den Kopf. »Ich sehe im Moment so gut wie keine Perspektive.«
»Vielleicht hat sie Recht, Will«, sagte Sarah. »Wir könnten uns abwechselnd um die Kinder kümmern.«
»Allein mit der Kleinen da haben Sie sicher alle Hände voll zu tun.« Amy lächelte Sarah an. »Wie viel wissen die anderen beiden?«
»Ich bin mir nicht sicher«, sagte Will. »Aber es ist ja offensichtlich, dass Emily nicht hier ist.«
»Nun, dann wissen sie Bescheid. Sie werden mir vielleicht nicht glauben, aber solche Fälle klären sich oft auf unglaubliche Art und Weise auf. Manchmal tauchen die Verschwundenen einfach wieder auf und haben alle erdenklichen Erklärungen.« Das stimmte nur bedingt, aber sie teilte betroffenen Familien nie gleich die Wahrheit mit: dass Fälle von vermissten Personen nur selten einen glücklichen Ausgang nahmen.
»John Geary hilft mir.« Will sprach schnell, und es klang nach einer Beichte. »Ich hab ihn darum gebeten.«
»Ich bin nicht sicher, ob das die beste Entscheidung ist«, antwortete Amy »Bei Geary gibt es eine … Vorgeschichte.«
»Er hat gesagt, er sei ein Spitzenmann beim FBI gewesen, bei der Verhaltensforschung. Er scheint viel Erfahrung zu besitzen.«
»Oh, die hat er sicher. Und er sagt auch die Wahrheit, was seine ehemaligen Positionen betrifft. Es ist komplizierter …«
»Wenn er behilflich sein kann, sie zu finden …«
»Seien Sie eben einfach vorsichtig, Mister Parker. John Geary verhält sich durchaus nicht immer vorschriftsmäßig.«
Einer der anderen Detectives hatte ein wenig in den Akten gegraben, als Geary zum ersten Mal auf der Wache erschienen war und mit seinen Erfolgen und Positionen angegeben hatte. Das allgemeine Interesse war groß, als ihr Kollege herausfand, dass Geary auf dem Höhepunkt seiner langen Karriere in Quantico kurz vor einer Anklage wegen sexueller Belästigung gestanden hatte. Dazu war es jedoch nicht gekommen, weil ein psychologisches Gutachten zu dem Schluss kam, dass Geary nicht entfernt in der Lage sei, ein Gesetz zu brechen. Das war Amy ziemlich suspekt. Sexuelle Belästigung war ja ein Tatbestand, der von Männern oft verleugnet wurde. Genau darum waren diese Gesetze überhaupt erst verabschiedet worden: damit nicht irgendwelche Idioten Frauen nachstellten, die nichts als ihren Job machen wollten.
»Ich würde mich hier gern ein bisschen umsehen, wenn Sie nichts dagegen haben.«
»Natürlich nicht«, sagte Sarah. »Treten Sie ein.«
Amy folgte ihnen nach drinnen. Es war ein sehr hübsches Haus, übersät mit Spielsachen und voll gestopft mit Antiquitäten, Orientteppichen und da und dort dem nautischen Krimskrams, der in keinem der Häuser auf dem Cape fehlen durfte. An den Wänden hingen Originalgemälde, zum größten Teil figurativ, aber einige auch abstrakt.
»Sammelt einer von Ihnen Kunst?«, fragte Amy.
»Ich bin Malerin«, antwortete Sarah. »War es jedenfalls mal. Aber seit mein Mann gestorben ist, habe ich nicht mehr gemalt.«
»Das tut mir Leid.«
»Es war erst letzten Winter«, sagte Sarah und bückte sich, um ein Plastikschwert aufzuheben, das im Weg lag.
Amy sah sich um. Der Rest des Hauses bestätigte ihren ersten Eindruck. Eine typische Familie, etwas chaotisch. Nichts erregte ihr besonderes Interesse, bis sie in die Küche kamen. Hier fiel ihr der Fußboden sofort auf. Er war aus Holz, wie die restlichen Böden im Haus auch, aber hier war die Farbe nicht gleichmäßig. In der Mitte war ein Rechteck, das viel heller war als der Rest des Holzes. Doch nur wenige Augenblicke später, als sie in die Garage trat, erblickte sie die Antwort auf ihre Frage.
Auf einer Seite der für zwei Wagen ausgelegten Garage parkte ein goldfarbener Ford Taurus Kombi, auf der anderen Seite wurden allerlei Gartengeräte und Werkzeug aufbewahrt. Was Amy jedoch am allermeisten interessierte, war der zusammengerollte Teppich, der in der Ecke stand.
»Ist das der Teppich aus der Küche?«, fragte sie.
»Der ist uralt«, sagte Sarah. »Ich wollte ihn auf den Müll schaffen.«
»Können wir ihn kurz ausrollen?«
»Emily ist verschwunden«, sagte Will, »und Sie wollen Ihre Zeit damit verschwenden, einen alten Teppich zu inspizieren?«
»Ja, das würde ich gern.«
Will nahm Sarah Maxi ab und verließ die Garage, nicht ohne die Tür knallend
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