5 Tage Liebe (German Edition)
das vergessen könnte, bei den Kreuzschmerzen, die mich quälen.
Während Maya nun also einen Radiosender gefunden hat, der ohne Rauschen und kurze Unterbrechungen ihr Lied zu Ende spielt, konzentriere ich mich auf die Straße vor mir. Aber das nur rein optisch, denn geistig gehe ich die letzten Tage durch und frage mich, was genau der Grund dafür ist, warum ich jetzt auf der Autobahn unseres befreundeten Nachbarlandes bin und auf die Frage des Navigationssystems als Zielort „Barcelona“ eingegeben habe.
Ich habe meinem Freund eine Stripperin für den Junggesellenabschied besorgt, mehr eigentlich nicht. Noch vor ein paar Tagen war mein Leben damit ausgefüllt, bei Facebook unsinnige Spiele zu spielen, meinen Status dort je nach Befinden zu aktualisieren und hin und wieder am Auftrag zur Erstellung eines passablen Webauftritts für einen Weinhandel zu arbeiten. Abends bin ich für ein bis fünf Bier in meine Stammkneipe gegangen, habe mit Patrick Fußball geschaut und ihn heimlich beneidet, weil er bald ein Ehemann sein würde.
Jetzt habe ich eine Couch im Sprinter, kein Auto mehr, heute Morgen den Abgabetermin meiner Auftragsarbeit (und gleichzeitig die Sicherung meiner Miete!) verpasst, die katalanische Hauptstadt als Ziel, und die potentielle Liebe meines Lebens neben mir. Wenn das mal keine Drehung um 360 Grad ist, bin ich wirklich überfragt.
Ich bereue keine meiner Entscheidungen (bis auf den Schlag gegen die Wand, von dem meine Hand sich nur langsam erholt, sowie das Tragen einer Couch durchs enge Treppenhaus) und spüre doch dieses leichte Brennen in meinen Nerven, weil ich mir zwar erhoffen kann, wie diese Geschichte ausgehen wird, es aber nicht weiß. Diese Autobahn ist entweder der Weg ins Paradies oder eine Einbahnstraße in die emotionale Vorhölle. Und das mit Lichtgeschwindigkeit.
Als ich einen kurzen Blick auf Maya werfe, die an dem Kaffeebecher nagt wie ein Eichhörnchen, kribbelt es in meinem ganzen Körper. Eigentlich wäre sie schon nicht mehr hier, wenn ich nicht hartnäckig geblieben wäre.
Mit jedem Kilometer, den ich zwischen uns und Stuttgart bringe, fahre ich sie auch weiter weg von ihrer Vergangenheit, und hin zu ihrem Bruder, den sie sehr vermisst. Aber was wird dann aus mir? Werde ich aussortiert und darf den Weg zurück in die Kesselstadt allein antreten? Werde ich Fabian überhaupt kennenlernen? Sie sagt, kaum jemand weiß von ihm, nur wenige haben ihn kennenlernen dürfen. Zu welcher Sorte Mensch gehöre ich?
Das Klingeln ihres Handys bringt mich kurzzeitig zurück in die Realität und ich stelle fest, dass ich wie ein Gestörter auf der linken Spur gefühlte zwanzig Kilometer zu schnell fahre.
„Hallo? ... Nein, wir sind schon unterwegs ... ja, ich weiß.“
Mayas Stimme überschlägt sich erneut, und sie kichert ganz viel. Dabei tanzen ihre Locken die eigenartige Interpretation einer Samba. Oder Rumba. Irgendwas mit viel Hüfte. Ich komme um ein Lächeln nicht herum, sie grinst frech zurück.
„Jonas fährt mich ... nein, keine Sorge ... ja doch. Das sage ich ihm ... gut. Ich freue mich auch.“
Dann legt sie auf und lässt ihre Hand zu meiner auf dem Schaltknüppel wandern.
„Du sollst vorsichtig fahren. Sagt meine Mutter.“
Ihre Mutter weiß also von mir? Maya hat nur gesagt: „Jonas fährt mich“. Mein Name muss also bereits gefallen sein. Oder nicht? Würde sie mich sonst nicht etwas genauer vorstellen oder zumindest erklären müssen, wieso ein wildfremder Mann sie ins Urlaubsparadies fährt?
Erstaunlich, wie schnell vier Becher Kaffee ihre Wirkung verlieren können. Mayas Kopf lehnt an der Scheibe, ihre Augen sind geschlossen, ein Lächeln auf den Lippen. So schaukelt der Sprinter über die Autobahn, während meine Couch hinter mir ab und an ein ächzendes Geräusch von sich gibt.
Also fahre ich stur und stumm zu den Popsongs der gesamten Castingshow-Geschichte durch Europa. Den ganzen Tag.
Irgendwo an einer französischen Raststätte kann ich nicht anders und muss auch mal meine Blase entleeren. Maya bewacht solange den Sprinter, während ich mir die Hände wasche und mein Spiegelbild betrachte. Wenn Bonnie und Clyde so auf der Flucht wären wie wir im Moment, sie hätten nicht lange gelebt. Außer einem Sandwich mit Thunfisch und Mayo habe ich nur Jelly Beans gegessen, die mir Maya in den Mund gestopft und geschwiegen hat, bis ich die Geschmacksrichtung richtig erriet. Zwischen „saftige Birne“ und „Jalapeños“ liegt ein großer Unterschied,
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