50 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 02 - Die Königin der Wüste
es nirgends eine Spur von der Oase, die so nahe sein soll. Siehst du etwas, Said?“
„Nein, Herr. Und doch – da drüben, links von uns, bewegt sich etwas.“
Der Pascha versuchte, den Blick auf den erwähnten Gegenstand zu fixieren, vermochte es aber nicht.
„Ich kann nichts sehen“, klagte er. „Es ist, als ob die Sonne mir die Augen aus den Höhlen brennen wolle.“
„Mir geht es auch so. Aber es kommt näher.“
„Was ist es?“
„Ich kann es nicht unterscheiden.“
Er hatte recht. In dem Glutmeere zerflossen alle Konturen und Linien, als ob sie von der Sonne zerstört oder verzehrt würden.
Endlich aber nahm die Gestalt eine größere Deutlichkeit an. Es war ein Reiter auf einem Kamel. Er kam im allerschärfsten Trab herbei. Als er die kleine Karawane erreichte, hielt er sein Tier an und musterte sie mit finsterem Blick.
Sein Kamel war riesig groß, und er selbst von wahrhaft herkulischer Gestalt. Gehüllt war er von oben bis unten in einen weißen Haïk, dessen Kapuze er über den Kopf gezogen hatte. Sein dunkles Gesicht war frei. Quer über dasselbe, von einer Wange bis zur anderen, die Nase zerschneidend, zog sich eine Narbe, die von einer fürchterlichen Verwundung zurückgelassen sein mußte.
„Sallam!“ grüßte er kurz und rauh, als er mit seiner Beobachtung fertig war.
„Salem aaleïkum!“ antwortete der Pascha.
„Wer bist du?“
„Mein Name ist Hulam.“
„Und was bist du?“
„Kaufmann.“
„Hat Allah dir den Verstand eines Ochsen gegeben, daß du nicht besser und ausführlicher antwortest? Oder soll ich dir etwa die Auskunft hier mit meiner Kamelpeitsche abkaufen? Wo bist du her?“
„Aus Smyrna.“
Der Pascha wagte nicht, auf die groben Worte ebenso grob zu antworten.
„Wo willst du hin?“
„Zu den Beni Sallah.“
„Zu den Beni Sallah?“ lachte der Riese. „Wer hat dir denn den Weg gezeigt?“
„Mein Führer. Er verließ uns aber; er getraute sich nicht weiter mit, da sein Stamm mit den Sallah nicht in guter Freundschaft lebt.“
„So, er fürchtet sich? Nun, er hat auch allen Grund dazu! Was wollt ihr aber bei den Beni Sallah?“
„Gastfreundschaft.“
„Kennt ihr denn jemand unter ihnen?“
„Nein.“
„Da steht es schlimm mit der Gastfreundschaft, die ihr sucht. Der Stamm ist ein sehr kriegerischer und nimmt nicht einen jeden bei sich auf. Wer sind diese beiden anderen?“
„Mein Weib und mein Diener.“
„Du bist von der Richtung, die dir angegeben worden ist, abgewichen. Wenn du so fortreitest, reitest du dem Tod entgegen. Gut, daß ich euch von weitem gesehen habe. Kommt mit mir!“
Der Riese lenkte hierauf in einem scharfen Winkel nach Süden ab, und die anderen folgten ihm. Eine Zeitlang ritt man in der neuen Richtung in tiefem Schweigen dahin, und der Pascha betrachtete den Riesen mit unruhigen Blicken. Endlich sagte er:
„Bist du vielleicht ein Beni Sallah?“
„Ja.“
„Kennst du Falehd, den Bruder des verstorbenen Scheiks?“
„Warum sollte ich ihn nicht kennen? Willst du etwa zu ihm?“
„Ja.“
„Nimm dich in acht! Er ist kein Menschenfreund!“
Über das Gesicht des Sprechenden ging ein höhnisches und doch auch selbstzufriedenes Lächeln. Der Pascha antwortete:
„Du scheinst ebensowenig einer zu sein.“
„So? Warum denkst du das?“
„Ich sehe es nicht nur, sondern höre es auch.“
„Hm! Was willst du bei Falehd?“
„Viel und wenig.“
„Hölle und Teufel! Hältst du mich keiner besseren Antwort für wert?“
„Vielleicht antworte ich anders, wenn ich dich zuvor kennengelernt habe.“
„Das will ich dir auch raten! Da kommt übrigens mein Begleiter, den ich verlassen habe, als ich euch von weitem erblickte. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, ich hätte euch in das Meer ohne Wasser reiten lassen!“
Sie stießen jetzt auf einen anderen Reiter, der auch den weiten Haïk trug.
„Dieser Mann ist ein Kaufmann aus Smyrna und heißt Hulam“, sagte der Riese zu ihm.
Erst jetzt betrachtete der Reiter den Genannten. Da prägte sich in seinem Gesicht eine große Überraschung aus, und er rief verwundert:
„Hulam? Pah! Ibrahim Pascha!“
„Graf Polikeff!“ entgegnete ebenso erstaunt der Pascha.
„Ist es möglich!“
„Allah ist groß und allmächtig. Er macht selbst das Unmögliche möglich!“
Der Riese stieß einen Fluch aus und schlug mit seiner Reitpeitsche durch die Luft.
„Ibrahim Pascha!“ rief er wütend. „Also nicht Hulam?“
„Nein“, lachte derjenige, den Ibrahim
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