52 Verführungen: Ein Paar holt sich die Lust zurück - (German Edition)
hatte. »Das ist ja mal wieder typisch«, meine ich.
»Macht nichts. Dann eben beim nächsten Mal!«
»Es war trotzdem ziemlich gut. Nicht halb so schlimm, wie ich befürchtet hatte.«
»Nein. Und ich hab dir tatsächlich per SMS Fotos von meinem Schwanz geschickt!«
»Ja, das hast du. Die löschst du besser, bevor du morgen wieder arbeitest, was?«
»Ja, das wäre wohl besser.«
Eine Sekunde lang herrscht ein leicht verlegenes Schweigen, und dann holt Herbert tief Luft und sagt: »Also auf dem Weg hierher habe ich zwei Stunden im Stau gesteckt. Außerdem ist die Kaffeemaschine in meinem Zimmer kaputt…«
Ich bin etwas schockiert darüber, wie schnell wir in die Realität zurückswitchen.
Juni
M anchmal ist es mir ein bisschen peinlich, zuzugeben, dass ich verheiratet bin. Es ist nicht gerade eine originelle Lebensform, wenn man bedenkt, auf wie viele verschiedene Arten Menschen heutzutage zusammenleben können. Trotzdem haben wir uns für die gleiche Institution entschieden wie unsere Großeltern. Schlimmer noch, eine Institution, die den Makel von Unterdrückung, von Besitzanhäufung und von Festnageln trägt.
Allerdings haben Herbert und ich geheiratet, weil wir nicht an die Ehe glaubten.
Wir haben geheiratet, weil wir es nicht für moralisch oder ethisch geboten hielten. Wir glaubten nicht, dass dies unsere Beziehung in irgendeiner Weise legitimieren oder sanktionieren würde. Wir glaubten nicht, dass wir dadurch länger zusammenbleiben würden.
Wir heirateten, weil die Ehen unserer Eltern nicht gehalten
hatten. Wir heirateten, weil wir in dem Glauben aufgewachsen sind, dass die Ehe eine absurde, unterdrückerische Institution sei, die unvermeidlich scheitern müsse. Wir heirateten, weil wir glaubten, dass die Idee der Ehe von einer falschen Vorstellung vom Wesen der Geschlechter ausginge.
Das ist vielleicht nicht für jeden nachvollziehbar, aber angesichts solcher Überzeugungen, war Heiraten die wildromantischste Geste, die wir uns vorstellen konnten. Ein Akt blinden Glaubens an uns beide und unsere Fähigkeit, das durchzuhalten. Wir glaubten nicht, dass die Institution uns aneinander binden könnte; wir glaubten, dass wir selbst es könnten.
Im Moment ist es ja in zu behaupten, Monogamie könne gar nicht funktionieren. Die gute alte Ausrede der Fremdgeher, dass Männer ihren Samen einfach so weit wie möglich verbreiten müssten, ist im neuen Diskurs über die Evolution plötzlich hoffähig geworden. Und wer sollte schon die langweilige, alte Monogamie wollen, wenn es dort draußen doch so viele verlockendere Optionen gibt?
Nun, ich zum Beispiel. Aber nicht, weil ich denke, sie wäre um einen Deut besser als irgendeine andere Lebensweise. Ganz im Gegenteil: Bevor wir mit den Verführungen begonnen haben, verspürte ich oft Neid auf die vielfältigen amourösen Abenteuer meiner Single-Freunde.
In jüngster Zeit stürze ich mich auf Bücher zu dem Thema, wie man eine Langzeitbeziehung lebendig erhalten kann. Viele davon gehen von dem Gedanken »Monogamie ist das Beste« in unterschiedlichen Formulierungen aus. Mich
macht diese Einstellung wütend, weil ich sie engstirnig finde. Es gibt nicht den einen, einzig richtigen Weg. Und alle Varianten haben ihre Vor- und Nachteile. Die Monogamie erfordert von beiden Partnern riesige Anstrengung, damit die Beziehung lebendig bleibt. Das mag jeder anders interpretieren, aber für uns bedeutete es schon immer die Verpflichtung, über jeden Zweifel an unserer Treue erhaben zu bleiben und sich nicht einmal den kleinsten Flirt zu erlauben. Klar bedeutet es auch, Reizen zu widerstehen, die sich uns von Zeit zu Zeit bieten; Monogamie macht uns dagegen nicht immun. Selbst wir alten Eheleute sehnen uns noch nach dem Rausch aus Risiko und Romanze, dem Nervenkitzel der Jagd, doch wir müssen akzeptieren, dass all das für uns vorbei ist.
Und die Vorteile der Monogamie? Nun, da wären wachsendes Vertrauen und Gewissheit, sowie das Privileg, jemand ganz für sich allein zu haben. Aber vor allem bedeutet es eine Art Freiheit, diese Entscheidung getroffen zu haben. Die Freiheit sich nicht mehr dauernd zu fragen, ob der eigene Partner und/oder man selbst gut genug ist. Und wenn man eine gute Wahl getroffen hat, kann man auf den schwer erreichbaren Zustand der Perfektion hinarbeiten.
Monogamie ist aber nicht eine einzige, endgültige Entscheidung. Es ist eine tägliche, stündliche Entscheidung, die man in vollem Bewusstsein der anderen verfügbaren Möglichkeiten
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