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53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

Titel: 53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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herbeigenommenen Lasso die Arme an den Leib.
    Die Alte wollte sich diesen Augenblick zunutze machen und entfliehen, aber unter der Tür trat ihr Günther entgegen, so daß sie mit einem Schrei in die Stube zurückwich.
    „Bleibe da, schöne Señora!“ lachte Günther. „Ich hatte so große Sehnsucht nach dir, daß ich nicht länger warten konnte. Ich bin zu dir geeilt, um dich zu umarmen und an mein Herz zu drücken.“
    Auch er hatte seinen Lasso in Bereitschaft gehalten und schlang ihn der Alten, die keine Miene machte, sich zu verteidigen, so oft um den Leib, daß sie kein Glied zu rühren vermochte. Dann lehnte er sie lang in die Ecke.
    Der Hieb Steinbachs hatte Juanito so kräftig und so an der richtigen Stelle getroffen, daß ihm der Atem ausgegangen war. Er schnappte förmlich nach Luft. Jetzt, nachdem er aber bereits gefesselt war, hatte seine Lunge sich wieder vollgesogen, so daß er zu reden vermochte, und er rief zornig:
    „Was ist das? Ihr überfallt mich in meiner eigenen Wohnung! Wißt ihr, was das bedeutet?“
    „Ja, das bedeutet, daß es mit dir zu Ende ist.“
    „Wagt es nicht, Hand an mich zu legen!“
    „Pah! Wie du siehst und wohl auch fühlst, habe ich bereits Hand an dich gelegt. Spiele ja nicht den rechtmäßigerweise Verletzten, sonst lasse ich eine Verschärfung eintreten, mit der du noch weniger einverstanden sein wirst!“ antwortete Steinbach.
    „Ich verlange, augenblicklich freigelassen zu werden.“
    „Du kannst sehr gut pfeifen, wie ich höre. Hier ist meine Antwort.“
    Damit zog Steinbach den Lasso so scharf an, daß der Gefangene vor Schmerzen laut aufschrie.
    „So! Und wenn du noch nicht zufrieden bist, kommt es noch besser!“
    Annita kniete am Boden und hatte die Hände gefaltet.
    „Gott, o Gott, ich danke dir!“ betete sie. „Nie in meinem Leben werde ich diesen Tag und diese Stunde vergessen. Du machst deine Engel zu Winden und deine Diener zu Feuerflammen. Diese beiden Männer sind Engel, die du mir in der höchsten Not und Angst gesandt hast, mir und allen, die hier schmachten und durch sie befreit sein werden. Lob und Preis sei dir in Ewigkeit!“
    Das sagte sie mit solcher Inbrunst, daß Steinbach und Günther Tränen in die Augen traten. Die Alte aber kicherte:
    „Jetzt singt die Bachstelze. Aber der Stößer wird über sie und ihre Familie kommen, ehe sie es für möglich halten!“
    Und Juanito knirschte voller Grimm:
    „Ja, bete nur, Dirne! Du glaubst, gerettet zu sein, aber du bist es noch lange nicht. Es wird einer kommen, der wenig Federlesens mit euch machen wird!“
    Diese beiden Auslassungen wirkten um so empörender, als Annitas Gebet so vom Herzen gegangen war. Steinbach versetzte in tiefster Entrüstung dem Menschen einen Fußtritt.
    „Kerl“, rief er, „du bist schlimmer als das ärgste Viehzeug. Uns, die wir dich von dem tollen Wolf befreit haben, wolltest du zum Dank dafür vergiften. Und hier hast du – aber ich will mich nicht aufregen. Es ist schade um ein jedes Wort, das man eines solchen Schurken halber verliert. Señorita Annita, Ihr werdet die Güte haben, uns im Haus herumzuführen. Wir müssen zunächst rekognoszieren. Es ist notwendig, die Räumlichkeiten kennenzulernen, damit man weiß, was man gegebenenfalls zu tun hat.“
    „Geht der andere Señor auch mit?“ fragte Annita.
    „Ja.“
    „Aber da bleiben doch diese beiden gefährlichen Personen ganz allein und ohne Aufsicht.“
    „Das können wir immerhin wagen. Sie sind so fest gebunden, daß sie unmöglich loskommen können. Ich will mir den Schlüssel nehmen.“
    Steinbach griff schnell der Alten nach der Brust und zog den Schlüssel hervor. Dann fragte er:
    „Gibt es einen Hauptschlüssel?“
    „Zwei“, antwortete Annita. „Den einen hat Señor Roulin selbst und den anderen trägt Juanito stets in der Hosentasche.“
    „Wollen sehen, ob wir ihn finden.“
    Der Schlüssel wurde in der Tat gefunden, und nun begannen die drei ihren Rundgang. Sie fanden alles verschlossen, auch den Eingang des Gebäudes. Steinbach schob da noch extra den großen Riegel vor, damit er ja nicht etwa durch Roulin überrascht werden konnte. Die Vorsicht gebot dies, obgleich an die Ankunft Roulins nicht zu denken war.
    In der Küche fanden sie neben anderen Vorräten einen Sack voll dumpfigen Maismehls, in dem Mehlwürmer und Käfer ihr Wesen trieben.
    „Dieses Zeug, mit kaltem, stinkendem Wasser angerührt, bekommen die Bergarbeiter als einzige Nahrung“, erklärte Annita.
    „Doch nicht

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