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53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

Titel: 53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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verraten möge, was in seinem Herzen vorging.
    Im Vorübergehen flüsterte Karpala ihm zu:
    „Gräme dich nicht! Ich sehe dich wieder!“
    Dann schloß sich die Tür hinter ihr.
    Jetzt kam Bewegung in den Kosaken. Er ballte die Faust und erhob sie drohend.
    „Meine Stunde wird auch schlagen!“ knirschte er. „Die Ketten werden fallen, und dann –! Welch ein Tag! Zuerst dieser Diener der Adlerhorst! Er war es! Ich schwöre darauf. Und nun Karpala – die Verlobte des Rittmeisters! Das habe ich nicht geahnt! Welch eine Schönheit! Wie erhaben, wie rein, wie stolz und doch wie mädchenhaft! Schon glaubte ich, ihr Bild sei aus meiner Seele gewichen, und nun – nun – oh, Zykyma, arme Zykyma! Wartest du vielleicht immer noch auf den Hauptmann Orjeltschasta, der seinen guten deutschen Namen Adlerhorst in dieses russische Wort verwandeln mußte? Vielleicht wartest du vergebens.
    Ich glaube, die Wellen verschlingen
Am Ende Schiffer und Kahn,
Und das hat mit ihrem Singen
Die – Karpala getan!“ –
    Als der Fürst mit seiner Frau und Tochter bei dem Isprawnik eingetreten war, hatte der letztere die drei sehr freundlich begrüßt. Aber der Menschenkenner hatte sofort bemerkt, daß diese Freundlichkeit keine wirklich aus dem Herzen kommende war.
    Er war ein echter Russe, lang, breitschultrig, mit niedriger Stirn, stumpfer Nase, dicken Lippen und struppigem Vollbart. Sein Sohn war ihm sehr ähnlich. Der Rittmeister mußte seiner Hünengestalt nach eine ungemeine Körperkraft besitzen.
    Der Leutnant hatte Miene gemacht, sich zurückzuziehen, war aber durch einen Wink des Rittmeisters bedeutet worden, zu bleiben.
    „Du störst gar nicht“, flüsterte ihm letzterer zu. „Sollst sogar Zeuge sein, wie ich diesem dicken Fürsten meinen Standpunkt klarmache.“
    Und sich zu dem Fürsten wendend, fuhr er laut fort:
    „Höre Väterchen, wie kannst du denn eigentlich Karpala erlauben, einem Verbrecher ihren Ring zu schenken?“
    „Er ist ja ihr Retter!“ antwortete der Gefragte erstaunt.
    „Du bist wohl sehr froh, ihn gefunden zu haben?“
    „Sehr! Und das Mütterchen auch. Wir haben ihn vor Freude umarmt.“
    „Umarmt?“
    „Natürlich.“
    „Und Karpala wohl auch?“
    Der Fürst wollte antworten, doch Karpala tat es an seiner Stelle:
    „Hättest du etwas dagegen gehabt?“
    „Sehr viel sogar.“
    „Mit welchem Recht?“
    „Du bist meine Braut!“
    „Ich wußte kein Wort davon und habe es erst heute erfahren.“
    „Es ist so zwischen uns und deinen Eltern ausgemacht worden. Dein Väterchen hat dem Schamanen einen Schwur geleistet und darf ihn nun nicht brechen.“
    Die Schamanen sind die Priester der Tungusen und haben mehr Einfluß auf die Gewissen der Laien und selbst der Fürsten als unsere christlichen Priester auf die Glieder ihrer Gemeinden.
    Da wandte das Mädchen den Blick auf den Fürsten und fragte mit leiser, stockender Stimme:
    „Ist das wahr, Väterchen?“
    „Ja, meine Seele, mein Liebchen.“
    „Warum hast du das getan?“
    „Ich werde dir den Grund sagen, wenn du das Weib deines Männchens geworden bist.“
    „Und nun kann es nicht anders sein?“
    „Nein. Du mußt. Du weißt, daß es ganz unmöglich ist, einen solchen Schwur zu brechen.“
    „Ich weiß es und werde gehorchen.“
    Karpalas Wimpern sanken nieder, als ob eine Träne zu verbergen sei, dann nahm sie auf einem Stuhl Platz, denn sie fühlte sich plötzlich schwach und fuhr mit beiden Händen nach dem Herzen, als ob sie dort einen großen Schmerz empfinde.
    Der Rittmeister aber trat einen Schritt näher herbei und sagte in zärtlich sein sollendem Ton:
    „Du siehst also, Schätzchen, daß du mir gehörst und daß schon der Blick eines solchen Hundes, wenn er ihn auf dich richtet, ein Verbrechen ist.“
    Da sah sie schnell und zornig zu ihm auf.
    „Du nennst meinen Retter einen Hund?“
    „Er ist noch schlimmer als ein Hund; er ist ein Verbrecher, der bestraft ist.“
    „Was hat er begangen?“
    „Das weiß ich nicht. Niemand erfährt die Tat, wegen der einer nach Sibirien verbannt wird. Aber er ist auch bereits hier wieder in Strafe gefallen.“
    „Weshalb?“
    „Wegen einer Frechheit, die ihresgleichen sucht. Er hat dich geküßt!“
    Karpala erglühte über und über.
    „Mich – geküßt? Ich weiß nichts davon, daß er mich geküßt hat.“
    „Er hat es getan. Es war ein Zeuge da.“
    „Wer?“
    „Ich selbst.“
    Der Rittmeister blickte Karpala triumphierend an, erreichte aber gerade das Gegenteil. Sie erhob

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