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53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

Titel: 53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gebraust, daß alle Anwesenden auseinanderstoben, und galoppierte einmal rundum, bis der Kosak ihm entgegentrat. Letzterer hatte das gekaute Moos unbemerkt aus dem Mund genommen und hielt es dem Tier hin, indem er so tat, als ob er es am Kopf liebkosen wolle. Der Hengst schnaubte nun zwar noch einige Male unheimlich, als aber der Kosak ihm die Hand auf das Maul legte, nahm er das Moos aus derselben mit den Lippen auf und ließ sich geduldig den Sattel auf und die Zügel anlegen. Laute Rufe der Verwunderung erschallten. So etwas war noch niemals gesehen worden. Auch die Offiziere trauten ihren Augen kaum, als der Kosak jetzt so ruhig in den Sattel stieg, als ob er eine alte Mähre reiten wolle. Vorsichtig trieb der Rittmeister sein Pferd herbei und sagte:
    „Mensch, ist das auch der Hengst?“
    „Herr, sieh ihn dir an!“ antwortete der Gefragte unterwürfig.
    „Und er ist so lammfromm?“
    „Ein anderer dürfte es nicht wagen.“
    „Warum aber du?“
    „Weil ich einen jeden Feind zu bezähmen weiß, gleichviel ob Mensch oder Tier.“
    „Unverschämt! Was soll die Peitsche?“
    „Ich nehme sie mit, um, wenn ich auf diesem Ritt verunglücken sollte, noch im letzten Augenblick dem, der daran schuld ist, mit der Nagaika das Rückgrat einzuschlagen.“
    Der Kosak sagte das im höflichsten Ton und indem er seinen Vorgesetzten ganz unterwürfig anblickte. Dieser merkte gar wohl, wem diese Drohung galt und fragte zornig:
    „Wen meinst du?“
    „Den Wolf natürlich.“
    „Ah, das ist dein Glück! Ich dachte, du hättest auf irgendein menschliches Wesen angespielt. Wirf die Peitsche fort und folge uns!“
    Der Rittmeister wandte sein Pferd dem Fluß zu. Der Kosak gehorchte. Er schleuderte die Nagaika von sich und ritt hinter den beiden Offizieren her. Alle blickten ihm nach, und einige bekreuzigten sich und sagten:
    „Herr, führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von allem Übel! Er hat den Teufel. Der wilde Hengst gehorcht wie ein krankes Lamm!“
    Platowa liegt an der Amgha, die sich in den Aldan, einen Nebenfluß der Lena ergießt. Unweit der Stadt ist eine Furt, durch die die Offiziere ritten. Das Wasser ging jetzt zum Herbst den Pferden nicht bis an den Leib. Drüben auf dem anderen Ufer angekommen, setzten sie die Tiere erst in Galopp und dann in Karriere. Der Kosak folgte in demselben Tempo, ohne daß ihm der Hengst die geringste Schwierigkeit bereitete.
    Der Rittmeister, der sich zuweilen nach ihm umblickte, bemerkte dies.
    „Der Kerl hat den Satan im Leib!“ knurrte er. „Wie er es nur angefangen hat!“
    „Auch mir ist es unbegreiflich“, meinte der Leutnant. „Und hast du seine Drohung gehört?“
    „Die mir galt!“
    „Dir das Rückgrat einzuschlagen! Der Mensch scheint also doch nicht so unbefangen zu sein, wie du bisher angenommen hast.“
    „Ich werde ihn Mores lehren. Wollen doch einmal sehen, ob der Hengst auch im Wasser so geduldig ist.“
    „Wie, du willst wieder durch den Fluß?“
    „Ja, dort.“
    Der Rittmeister deutete nach dem Ufer, das in ziemlicher Entfernung von ihm lag.
    „Dort ist der Fluß am tiefsten und am reißendsten. Du beabsichtigst doch nicht etwa, da hindurchzureiten?“
    „O nein, nur er soll es.“
    „Unter welchem Vorwand?“
    „Da drüben, weit jenseits des anderen Ufers, sehe ich einen Wagenzug, der nach der Stadt zum Jahrmarkt fährt. Er soll fragen, woher diese Leute kommen.“
    „Er kommt nicht hinüber. Es ist zu gefährlich!“
    „Eben deshalb! Weißt du, es ist gerade der Ort, an dem er im vorigen Frühjahr, als das Eis zu gehen begann, Karpala aus dem Wasser holte. Sie hatte geglaubt, noch über den Fluß reiten zu können, aber das Eis brach, und sie versank zwischen die Schollen. Er mag jetzt versuchen, ob er nochmals glücklich herauskommt.“
    Der Rittmeister lenkte nach dem Ufer ein, blieb aber sehr bald wieder halten und sagte, vorwärts deutend:
    „Weidet dort nicht ein Pferd am Wasser?“
    „Ja.“
    „Und dabei liegen Frauenkleider!“
    „Ein Röckchen und ein Leibchen aus Zobel! Ach!“
    „Doch nicht etwa Karpala! Sollte sie baden?“
    „Warum nicht? Der Ort ist abgelegen, und das Ufer ist hoch und von Büschen eingefaßt, da kann es selbst ein Frauenzimmer wagen, zu baden.“
    „Aber gerade an diesem gefährlichen Ort!“
    „Hm! Die Tungusinnen sind ausgezeichnete Schwimmerinnen. Übrigens ist der Fluß hier hüben nicht so reißend wie drüben.“
    „Wollen einmal hin!“
    Die Offiziere ritten also dem Ufer entgegen,

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