Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

Titel: 53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
viele Neugierige versammelten, wurde Lomonow auch mit dorthin gezogen und erkannte zu seinem Erstaunen, oder vielmehr zu seinem Entsetzen, die drei Jäger, denen er im Tal des Todes mit so großer Mühe und noch größerem Glück entgangen war. Er glaubte natürlich, daß sie von jenem Tag an auf seiner Spur geblieben seien, und beschloß die schleunigste Abreise.
    Die Einkäufe waren gemacht und verpackt. Ein gutes Geldgeschenk machte den Jägern die schnelle Abreise plausibel, und so wurde aufgebrochen. Gerade, als Lomonow sich nach dem Versammlungsplatz begeben wollte, wurde er von Jim gesehen, den auch er glücklicherweise erblickt hatte. Er wand sich nun schlau zwischen mehreren Zelten hindurch und entkam, herzlich froh, Platowa, wo er hatte länger verweilen wollen, so rasch hinter sich zu haben.
    Bald darauf senkte sich die Dämmerung hernieder, und der Abend brach herein. In dem Tanzsaal der Schankwirtschaft wurden die wenigen Lampen angebrannt, denn es verstand sich von selbst, daß es heute, am ersten Tag des großen Marktes, einen Ball gab.
    Im hinteren Teil des Saals wurde durch eine bretterne Scheidewand ein separater Raum abgeschlossen, der für die ‚Herrschaften‘ bestimmt war. Es herrschte der Brauch, daß die Honoratioren jeden zehnten Tanz für sich allein hatten.
    Kaum hatte eine alte Trompete das Zeichen gegeben, so strömten die Tanzlustigen in Menge herbei, und der Ball begann. Die ersten ‚Herrschaftstänze‘ fielen aus, weil die ‚Herrschaften‘ noch nicht eingetroffen waren. Bald aber stellten sie sich ein.
    Den obersten Platz nahm natürlich der Kreishauptmann mit seinem Sohn ein; dann folgten die anderen Offiziere, der Pope und die Unteroffiziere. Nach nicht gar langer Zeit gesellten sich angesehene Häuptlinge der umwohnenden Völker hinzu, und endlich kam auch der vornehmste derselben, Fürst Bula, mit seiner Frau und seiner Tochter.
    Sein Erscheinen erregte allgemeines Aufsehen, nicht allein der Schönheit seiner Tochter wegen, sondern, weil Sam, Jim und Tim sich bei ihm befanden. Sie waren die Helden des Tages geworden. Daß Sam nach dem Rittmeister geschossen hatte und doch die Freiheit genoß, verlieh ihm in den Augen der einfachen Leute außerordentlichen Respekt.
    Der Rittmeister, sein Vater und die Offiziere erhoben sich, um Karpala Platz zu machen. Als sie sich setzen wollten, machten sie die verblüfftesten Gesichter, die man sich nur denken kann. Ihre Sitze waren nämlich nicht mehr leer. Sam saß auf des Kreishauptmannes, Jim auf des Rittmeisters und Tim auf des Oberstleutnants Platz, und sie machten dabei Mienen, als ob dies so ganz und gar selbstverständlich sei.
    „Unverschämt!“ brummte der Isprawnik, und sein Sohn stimmte bei. Sam hörte es ziemlich deutlich, nickte dem ersteren aber freundlich zu und sagte gelassen:
    „Nenne es nicht unverschämt, daß man uns keine Kissen hergelegt hat. Wir verzichten gern darauf und sind zufrieden, daß du uns unsere Plätze bis zu unserem Kommen bewahrt hast.“
    Der einstige Knopfmachergeselle machte dabei ein Gesicht, als ob er in seinem ganzen Leben nur Hofranglisten studiert habe. Innerlich taten sich die drei Jäger freilich eine außerordentliche Güte.
    Zu essen gab es nichts, zu trinken nur Tee, Schnaps, Mehltrank und saure Milch. Die Musik wurde erzeugt von einer Trompete, einer alten Gitarre mit nur drei Saiten und einer Posaune, deren einst so gerade und einfache Züge jetzt verwickelt waren wie ein Kalbsgekröse. Es war, wie der Dichter sagt, ein Konzert, das Steine erweichen und Menschen rasend machen konnte.
    Den Vorzug hatten nationale Tänze, wie Balalaika und ähnliche. Trotz des schlechten Getränks und der noch schlechteren Musik begann sich bald eine ausnehmende Fröhlichkeit zu entwickeln, selbst auf dem Herrschaftsplatz.
    Der Rittmeister war finster und wortkarg. Er erhielt von Karpala nicht einen einzigen Blick. Da, während eines Herrentanzes, stand er auf und trat zu ihr, um sie zu engagieren. Sie aber schüttelte den Kopf, ohne ihn nur anzusehen.
    „Du tanzt nicht?“ fragte er.
    „Nein.“
    „Heute gar nicht?“
    „Weiß noch nicht.“
    „Oder nur mit mir nicht?“
    „Niemals!“
    Da wurde er bleich wie der Tod. Aller Blicke hatte an ihm gehangen; er war öffentlich blamiert.
    „Etwa mit der Nummer Zehn?“ zischte er ihr ergrimmt in das Ohr.
    „Vielleicht.“
    Natürlich nahm der Rittmeister diese Antwort des schönen Mädchens nicht für ernst. Es schien ja eine Unmöglichkeit zu sein,

Weitere Kostenlose Bücher