54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken
läßt mich vermuten, daß du nahe daran bist, verrückt zu werden. Eine größere Borniertheit ist doch gar nicht zu denken!“
„So, so, ah, ah! Ich könnte die ganze Welt zerreißen! Aber ich bin ein Christ und will mich in Geduld fassen. Ich werde meine Stunde erwarten, und sie wird kommen, viel eher noch, als ihr denkt. Jetzt verlasse ich euch. Ich schüttele den Staub von meinen Füßen. Ihr seid ein Anteil des Teufels. Ich mag mit euch nichts mehr zu schaffen haben.“
„Ja, geh! Auch uns wird es lieb sein, gar nichts mehr von dir zu sehen und zu hören.“
„Oh, ihr werdet mich sehen, und ihr werdet von mir hören, wenn ich Gericht über euch halten werde. Ich kenne bereits den Strick, an dem ich euch aufhängen werde. Denkt nur an die ‚armen Leute‘, denen ihr gegen das Gesetz euren Beistand gewährt! Ich werde es so weit bringen, daß ihr selbst nach Nertschinsk verbannt werdet, um in den unterirdischen Bergwerken zu arbeiten, bis der Tod euch in die Hölle sendet!“
Propow eilte hinaus, so schnell es seine Gravität und fromme Würde erlaubten, die er auch jetzt noch möglichst beibehielt.
Jetzt kam Mila herein.
„Gott sei Dank, daß er fort ist!“ sagte sie. „Väterchen, Mütterchen, habe ich recht gehandelt?“
„Ja, mein Kind“, antwortete der Bauer. „Es war ganz recht, daß du ihm endlich einmal die Augen geöffnet hast. So einem Menschen muß man die volle Wahrheit sagen. Er hatte uns beleidigt, und so verdiente er diese kräftige Zurechtweisung vollständig.“
„Und du fürchtest seine Rache nicht?“
„Nein. Ich hoffe, daß er uns nichts wird anhaben können.“
Der abgewiesene Freier freilich dachte ganz anders. Er brütete, indem er langsam von dannen ritt, darüber, wie er wohl am besten und sichersten Rache nehmen könne. Und zufälligerweise schien sich ihm sehr schnell eine vortreffliche Gelegenheit dazu zu bieten.
Propow hatte das Gut bereits weit hinter sich, und sein Pferd trabte auf grasigem Boden dahin, während rechts und links Büsche standen, die sich hinab nach dem Mückenfluß zogen, da hört er von der Seite her das Schnauben eines Pferdes, und gleich darauf kam ein Reiter zwischen den Büschen hervor. Es war der Kosakenwachtmeister.
Beide, Propow und der Kosak, kannten einander natürlich, aber sie liebten sich nicht. Sie hatten noch niemals ein Wort über Mila verloren, aber sie wußten, daß sie Rivalen seien – beide trachteten nach ihrer Hand.
Daher machte der Wachtmeister keineswegs ein sehr freundliches Gesicht, als er seinem Nebenbuhler begegnete. Er ergriff vielmehr sofort die Gelegenheit, ihn zu ärgern, und parierte sein Pferd gerade vor demjenigen Propows, so daß dieser nicht vorüber konnte.
„Was soll das?“ fragte der Russe. „Du stellst dich mir in den Weg?“
„Wo ist hier ein Weg? Jeder kann reiten und anhalten, wo es ihm beliebt. Mit einem so guten Freund von Peter Dobronitsch mache ich kein Federlesen.“
Diese letztere Bemerkung kam dem Russen sehr gelegen.
„Was?“ fragte er. „Was soll ich sein? Ein Freund von Peter Dobronitsch?“
„Kannst du es leugnen?“
„Ich leugne es. Ich möchte den sehen, der es mir beweisen kann, daß ich der Freund dieses Menschen bin!“
„So! Aber seine Tochter möchtest du!“
„Mann, wer hat dir das weisgemacht?“
Der Wachtmeister betrachtete Propow mit mißtrauisch forschenden Blicken. Ein schadenfrohes Lächeln glitt über sein Gesicht.
„Das braucht mir niemand weiszumachen. Das sehe ich ja. Denkst du, ich habe die Blicke nicht bemerkt, mit denen du das Mädchen verschlingst, wenn du bei ihm bist?“
„Das hast du dir nur eingebildet. Es fällt mir gar nicht ein, an diese Dirne zu denken. Ihr Vater könnte sie mir anbieten, ich möchte sie doch nicht!“
Propow sagte das in zornigem Ton, und seine Miene war dabei so aufrichtig grimmig, daß der Wachtmeister erkannte, daß der Mann jetzt die Wahrheit sprach. Er nickte leise vor sich hin, betrachtete ihn abermals lächelnd und versetzte:
„Sergius Propow, du hast ja einen neuen Rock an! Und Handschuhe dazu! Es scheint heute ein sehr feierlicher Tag für dich zu sein, ich glaube gar, du bist auf der Brautschau gewesen! Nicht wahr, du hast die Mila haben wollen und hast sie nicht bekommen?“
„Was geht es dich an! Wenn du mir nicht Platz machen kannst, suche ich mir einen anderen Weg.“
Propow wollte den Wachtmeister umreiten, dieser aber ergriff ihn beim Arm und hielt ihn fest.
„Halt! So schnell kommst du
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