56 - Die Liebe des Ulanen 02 - Napoleons letzte Schlacht
angreift.“
„Laß ihn hören, mein Sohn!“
„Er sagte, Euer Exzellenz seien schnell und hitzig. Wellington aber überlege und wäge gern ab. Greife er den letzteren an, so wäre Feldmarschall Blücher schnell mit der Hilfe bei der Hand und – – –“
„Das ist wahr. Wir werden ihn schon kuranzen.“
„Greife er aber Euer Exzellenz an, so würde Wellington wohl so lange zaudern und sinnen, bis die Preußen geschlagen sind.“
„Höre, Junge, der Kerl ist doch noch nicht ganz so sehr verrückt, wie ich dachte. An dem Zeug ist sehr viel Wahres.“
Königsau erzählte nun weiter alles, was er auf Jeannette erlauscht und dann auch später während seines Ritts noch erfahren hatte. Es stellte sich heraus, daß infolge dieser Berichte allerdings schleunige Dispositionen nötig waren, welche den Marschall so in Anspruch nahmen, daß er erst am Abend eine kurze Zeit für Königsau übrig hatte.
Da saßen sie denn beisammen, ein jeder eine brennende Tonpfeife in der Hand, und der Lieutenant erzählte die Erlebnisse der letzten Tage ausführlich. Blücher unterbrach ihn öfters durch einen kräftigen Fluch, eine drastische Bemerkung, oder eine Frage, welche bewies, mit welchem Interesse er diese Erzählung verfolgte. Als Königsau geendet hatte, meinte der Marschall:
„Du glaubst also, daß dieser Richemonte euch auch noch weiter verfolgt hat?“
„Ich denke es.“
„So hältst du deine Margot also auch in Gedinne nicht für sicher?“
„Nein, obgleich der brave Florian sie bewacht.“
„Hm! Was du mir da erzählst, ist der reine Roman. Aber er will ernst genommen sein. Wir wissen nicht, was die nächste Zeit bringt, und darum soll ein jeder das Seinige tun. Auch du.“
„Geben Exzellenz mir Gelegenheit dazu.“
„Sogleich, mein Sohn. Weißt du, was jetzt das Notwendigste für dich ist?“
„Ich bitte, es erfahren zu dürfen.“
„Du mußt dir dein Mädel zu erhalten suchen.“
„Exzellenz!“
„Schon gut! Ich weiß, was du sagen willst. Aber indem du so für dein Glück sorgst, kannst du zu gleicher Zeit auch dem Vaterland einen großen Dienst erweisen. Ahnst du, worauf ich ziele?“
„Vielleicht auf die Kriegskasse?“
„Ja. Du denkst, daß Richemonte bestrebt sein wird, sich ihrer so rasch als möglich zu bemächtigen?“
„Ja.“
„Nun, so ist es notwendig, daß wir ihm zuvorkommen. Aber wie? Der Ort liegt in Feindesland.“
„Es wird bald das unserige sein.“
„Ja; aber bis dahin kann der Teufel die Kasse geholt haben. Man müßte sie wenigstens bewachen, bis wir kommen.“
„Das ist entweder zu gefährlich oder zu umständlich oder zu langwierig, Exzellenz.“
„Weißt du einen besseren Plan?“
„Ich meine, daß es genügen würde, die Kasse herauszunehmen und ihr eine neue Stelle anzuweisen. Da kann sie liegen, bis die Preußen kommen, und dieser Richemonte findet sie nicht.“
„Donnerwetter, Junge, das ist wahr! Willst du das übernehmen?“
„Von Herzen gern!“
„Warum aber hast du es nicht bereits getan?“
„Ich hatte die nötigen Kräfte nicht. Auch gehören treue und verschwiegene Leute dazu.“
„Ja; die müßte ich dir mitgeben. Wie viele brauchtest du?“
„Mit zehn Mann glaube ich, es fertig zu bringen.“
„Gut, du sollst sie haben. Suche sie dir selbst aus. Wie du es aber anfängst, das ist ganz und gar deine eigene Sache. Als Extrabelohnung für dich aber werde ich dafür sorgen, daß der schändliche Meuchelmord, welchen dieser Richemonte an seinem Kumpan begangen hat, nicht verschwiegen bleibt!“ –
Einige Tage später zog durch den Ort Gedinne ein zerlumpter Kerl, dessen Kleider kaum zureichten, seine Blöße zu bedecken, desto mehr Lappen aber hatte er um seinen Kopf gewickelt.
Am Wirtshaus blieb er stehen, als besinne er sich, ob es möglich sei, auch ohne Geld einen Schluck zu erlangen. Da klopfte es von innen an das Fenster.
„Komm herein, Kerl, wenn du Hunger hast!“ rief eine laute Stimme.
Das ließ sich der Mann nicht zweimal sagen. Er trat in das Haus und dann in die Stube. Dort saßen verschiedene Gäste, alle aus dem Ort gebürtig, außer einem, eben demjenigen, welcher den Vagabunden hereingerufen hatte.
Als dieser eintrat, waren alle Augen auf ihn gerichtet. Man schüttelte mißbilligend die Köpfe, und der Wirt fragte:
„Mensch, wer bist du?“
„Ein armer Savoyard“, antwortete er bescheiden.
„Was willst du hier?“
„Ich weiß nicht, was ich soll. Dieser Monsieur hat mich gerufen.“
Da
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