56 - Die Liebe des Ulanen 02 - Napoleons letzte Schlacht
du mich, mein Kind?“ fragte er.
Da faßte sie sich ein Herz und antwortete:
„Ich weiß nicht, ob ich mich irre.“
„Nun, wer, denkst du, daß ich bin?“
Da zeigte sie an die Wand, wo das Bild des Generals Bonaparte hing, wie er die Brücke bei Lodi verteidigt.
„Sind Sie das?“ fragte sie.
„Ja, ich bin es.“
Da schlug sie die Hände zusammen und rief jubelnd aus:
„Mutter, o Mutter, der Kaiser!“
„Der Kaiser?“ fragte die Frau. „Nein, das ist nicht möglich, der Kaiser kommt nicht in dieses Haus, in diese kleine, armselige Stube.“
„Und doch bin ich es, Mutter“, sagte er; „ich bin Napoleon, euer Kaiser.“
Da trat die Frau näher herbei, betrachtete ihn aufmerksam und sagte:
„Ja, Berta, das ist er; das ist unser Kaiser! So hat dein Vater ihn mir beschrieben.“
„Der Vater dieses Mädchens? Ihr Mann? Wer war er? Wie hieß er?“
Auf diese Frage antwortete die Frau:
„Oh, mein Kaiser, Sie kennen ihn; Sie müssen ihn kennen, Jacques Marmont.“
„Jacques Marmont? Es gibt der Marmonts viele.“
„Er war mit bei der Belagerung von Toulon, dann unter Defaix bei der Rheinarmee; er kämpfte bei Lodi, Castiglione, St. Georges, in Ägypten, bei Marengo, Castelnuovo und Ragusa, bei Wagram und in Spanien. Dann wurde er verwundet und kehrte zurück.“
„Ah, war es jener Marmont, welcher Soult bei Badajoz das Leben rettete?“
„Ja, ja, Sire, das war er!“
„Wie ging es ihm?“
„Nicht gut. Seine Narben brannten. Er kaufte dieses Haus, um hier auszuruhen. Er fand die Ruhe bald, denn er wurde ermordet.“
„Ermordet? Von wem?“ fragte der Kaiser, die Brauen zusammenziehend.
„Von Marodeurs.“
„Wo?“
„Hier im Wald.“
„Ach. Wieder einer. Sie sollen das büßen. Ich werde für Euch sorgen. Auch ich bin soeben da vorn im Wald überfallen worden.“
„Sie, Sire?“ rief die Frau erschrocken.
„Ja, ich! Von Marodeurs!“
„Gott! Sie wagen sich an den Kaiser!“
„Sie werden es nicht mehr wagen. Es sind viele gefallen, und die übrigen werde ich ausrotten bis auf auf den letzten Mann. Es ist eine Dame dabei verwundet worden. Sie soll hier bei Ihnen verbunden werden. Erlauben Sie, daß man die Arme zu Ihnen bringe?“
„Mein Häuschen und alles, was ich besitze, ist Ihr Eigentum, Sire. Ich gehe selbst, die Dame mit hereinzubringen. Komm, Berta.“
Sie schritt mit ihrer Tochter hinaus. Nun war die Hilfe des Kaisers nicht nötig. Hugo hatte Margot bereits aus dem Wagen gehoben; sie wurde von den beiden Damen und der Wirtin nebst ihrer Tochter nach der Stube halb geführt, halb getragen. Napoleon trat zu Königsau und fragte ziemlich barsch:
„Die Kranke scheint sich erholt zu haben?“
Der Gefragte ahnte, was Napoleon wollte; er antwortete:
„Ich hoffe, nach einem besseren Verband wird sie sich wohler befinden.“
„Sie ist selbst aus dem Wagen gestiegen?“
„Nein.“
„Man hat ihr geholfen? Man hat sie unterstützt?“
„Allerdings.“
„Wer ist das gewesen?“
„Ich, Sire.“
„Sie? Ich hatte Ihnen verboten, es zu tun.“
„Sie bat mich darum, Sire.“
„Mein Befehl pflegt zu gelten.“
Königsau verneigte sich, ohne zu antworten. Der Kaiser fuhr fort:
„Wer wird den jetzigen Verband anlegen?“
„Ich.“
„Gut, Kapitän. Aber ich werde dabeisein.“
„Ich kann nicht widersprechen, Sire.“
„Kommen Sie.“
Er schritt voran, und Königsau folgte ihm. Die Offiziere waren auch ausgestiegen, traten aber nicht mit in das Haus. Es war ganz so, als ob eine Fürstin in dem kleinen Häuschen weile, dessen Schwelle nun nicht überschritten werden dürfe.
Als Königsau eintrat, hellte sich der Blick Margots auf. Als sie aber den Kaiser bemerkte, verdüsterte er sich augenblicklich wieder. Sie hatte während der kurzen Fahrt doch wohl zu viel mit dem Geliebten gesprochen; sie fühlte sich matter als vorher. Sie lag auf einem einfachen Ruhebett; ihre Mutter und die Baronin waren um sie beschäftigt. Die Wirtin stand mit ihrer Tochter entfernt. Beide hatten ihre Blicke auf das wunderschöne Mädchen gerichtet.
Es war eigentümlich, mit welchem Ausdruck die Augen Bertas auf Margot ruhten. Es spiegelte sich darin Bewunderung und Furcht, Mitleid und Haß.
Da trat der Kaiser näher, faßte die Hand der Verwundeten und sagte:
„Wie fühlen Sie sich jetzt, meine Teure?“
„Sehr, sehr matt, Sire.“
„Sollte man da nicht mit dem zweiten Verband warten?“
Margot richtete den Blick fragend auf Königsau; darum antwortete dieser
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