56 - Die Liebe des Ulanen 02 - Napoleons letzte Schlacht
stolz.
Er schien den ärgerlichen Ausruf des Kaisers für ein Lob zu nehmen.
„Sie sind also überzeugt, daß er wirklich fort ist?“ examinierte Napoleon weiter.
„Ja. Ich habe ihn ja gehen sehen.“
„Er kann Sie auch getäuscht haben.“
„Mich?“ sagte Florian ganz erstaunt. „Der wäre mir der Kerl dazu. An mich kommt da nicht gleich einer heran.“
„Das sieht man Ihnen an“, meinte Napoleon ironisch. „Dennoch aber ist es möglich, daß er nicht nach Donzy gegangen ist, sondern sich heimlich hier verborgen hält. Gibt es hier nicht Orte, die man als Versteck benutzen kann?“
„Oh, viele.“
„Wo?“
„Der Taubenschlag zum Beispiel.“
„Unsinn!“
„Ferner die Milchkammer. Da stecke ich manchmal selber.“
„Gut, gut!“ rief Napoleon, nach der Tür winkend. „Sie können gehen!“
Florian schickte sich an, das Zimmer zu verlassen, drehte sich aber an der Tür noch einmal um und fragte:
„Aber die neue Stelle Majestät? Bitte, ja nicht vergessen!“
Damit verschwand er.
Der Kaiser wendete sich mit mitleidigem Achselzucken an Kapitän Richemonte:
„Sie haben uns da einen sehr schlauen Diplomaten empfohlen. Er ist ebenso borniert, wie aufrichtig, und ich bin überzeugt, daß er uns die Wahrheit gesagt hat.“
Hätte der Kaiser geahnt, daß durch den Ventilator in der Zimmerdecke derjenige herabblickte und alles hörte, den man so gern fangen wollte, so hätte er wohl ganz anders gesprochen. Er fuhr fort:
„Dennoch ist es leicht möglich, daß der Gesuchte sich hier aufhält. Das Geheimnis, welches ihn umhüllt, muß schleunigst aufgeklärt werden. Man muß erfahren, ob jener Seekapitän und der Husarenlieutenant dieselbe Person sind, oder nicht. Ich lege diesen Auftrag in Ihre Hand, Kapitän. Gehen Sie.“
„Ich bin nicht in Uniform, General“, wendete sich Richemonte an Drouet. „Darf ich zu meiner Legitimation mich eines Piquets bedienen?“
„Nehmen Sie so viel Mann, als Sie brauchen.“
Der Kapitän ging.
Es jubelte ihm das Herz in der Brust. Er sah sich mit einem Mal als Meister der ganzen Situation. Mutter und Schwester waren in seine Hand gegeben. Wurde Margot die Maitresse des Kaisers, so war sein Glück gemacht.
Zu gleicher Zeit hatte Napoleon ihm eine Waffe gegen den Baron Reillac in die Hand gegeben. Dieser sollte sie nicht berühren dürfen; er mußte ihn, den Kapitän, von jetzt an mit Schonung behandeln, da dieser nunmehr sichtlich unter dem unmittelbaren Schutz Napoleons stand.
VIERTES KAPITEL
Auf der Flucht
Richemonte stieg in einer höchst selbstbewußten Haltung zur Wache hinab, wo er sich einige Mann aussuchte, welche ihm zu folgen hatten.
Zunächst begab er sich, nachdem er Erkundigungen über den Aufenthalt der einzelnen Personen eingezogen hatte, in das Parterrezimmer zu dem Baron.
„Kennen Sie mich, Baron?“ fragte er diesen.
„Nein“, antwortete dieser, ganz erstaunt darüber, einen Menschen so ungeniert bei sich eintreten zu sehen.
„Ich bin Kapitän Richemonte, der Sohn und Bruder der beiden Damen, welche sich als Ihre Gäste gegenwärtig hier befinden.“
Er hatte gehofft, den Baron sehr überrascht zu sehen. Dieser aber war von seiner Anwesenheit bereits unterrichtet und sagte einfach:
„So! Was wünschen Sie?“
„Der Kaiser sendet mich. Sie sind mein Gefangener.“
Auch hierauf war der Baron vorbereitet.
„Ihr Gefangener?“ fragte er. „Darf ich nach dem Grund fragen?“
„Sie sind des Landesverrats verdächtig. Sie beherbergen einen Spion bei sich.“
Der Baron zuckte geringschätzend die Achsel und meinte:
„Suchen Sie ihn hier?“
„Er wird sich schon finden, wenn auch nicht hier in Ihrem Zimmer, aber doch sicher irgendwo. Es ist am besten, Sie legen ein offenes Geständnis ab.“
„Habe ich auch Ihre Beleidigung mit anzuhören?“ fragte der Baron scharf.
„Gut. Ich verlasse Sie einstweilen, um auch die Baronin festzunehmen. Ich bemerke Ihnen jedoch, daß ich vor Ihrer Tür einen Posten zurücklasse. Der Mann hat Auftrag, auf Sie zu schießen, sobald Sie den Versuch machen sollten, Ihr Zimmer zu verlassen.“
„Ich habe keine Veranlassung, zu fliehen. Gehen Sie.“
Richemonte fühlte, daß es ihm ganz und gar nicht gelungen sei, dem jungen Mann zu imponieren. Dies brachte ihn zu dem Vorsatz, sich auf alle Fälle Respekt zu verschaffen. Er begab sich zur Baronin und trat bei derselben in einer Haltung ein, welche sofort zu erkennen gab, daß er in einer feindseligen Absicht komme. Sie war von
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