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595 Stunden Nachspielzeit - Humorvoller Roman (German Edition)

595 Stunden Nachspielzeit - Humorvoller Roman (German Edition)

Titel: 595 Stunden Nachspielzeit - Humorvoller Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo C. Parker
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auf und schlurfe in die Küche. Die aufbrausende Wut über mein nahendes Ableben flaut ab. Ohne diesen Zorn in mir hätte mein Herz möglicherweise nicht so schnell den Dienst quittiert. Ich entkorke eine Flasche Rioja, fülle ein Glas halb voll und setze mich mit diesem und der Flasche auf den Balkon. Die Temperaturen sind trotz der anbrechenden Nacht angenehm.
    Während ich an dem Wein nippe, frage ich mich, ob sich in dreizehn Tagen noch Sinnvolles realisieren lässt. Oder sollte ich mich bemühen, Spaß zu haben, ohne dabei mein Karmakonto zu belasten?
    Erste Sterne tauchen am Himmel auf. Meine Gedanken kreisen um die Jahre, die ihr Licht bis zur Erde benötigt, um die unzähligen Sterne und Planeten im Weltall, um den Urknall. Meiner Stimmung entsprechend fühle ich mich bedeutungslos. Für den Fortbestand des Universums spielt mein Dahinscheiden keine Rolle. Darauf gieße ich mir Rotwein nach und entdecke eine Sternschnuppe.
    »Ich wünsche mir ein längeres Leben«, wispere ich mit tränenerstickter Stimme. Ungeachtet meiner Irrelevanz würde ich so gerne weiterleben. Leise lasse ich den Tränen ihren Lauf.
    Gerade als ich mich aufraffen will, ins Bett zu gehen, öffnet sich über mir die Balkontür. Seufzend setzt sich meine Nachbarin in einen knarzenden Stuhl. Ihre Anwesenheit sorgt dafür, dass ich draußen verweile. Nicht der einzige Mensch in diesem Haus zu sein, der spätabends auf dem Balkon sitzt, wirkt tröstlich. Selbst wenn es sich bei der anderen Person nur um eine streitlustige Zicke handelt.
    Der Alkohol verstärkt meine philosophische Gemütslage. Ich sinniere, wie Sascha und die Urknalltheorie zusammenpassen. Ehe ich einen vernünftigen Schluss unter meine Überlegungen ziehe, vernehme ich einen Schluchzer.
    Habe ich den ausgestoßen?
    Ich halte den Atem an, um nicht von meinen eigenen Geräuschen abgelenkt zu werden, und tatsächlich registriere ich einen erneuten Jammerlaut.
    Meine Nachbarin weint. Also bin ich weder der einzige Mensch auf dem Balkon noch der Einzige in trübsinniger Gemütsverfassung. Obwohl wir schon so oft aneinandergeraten sind, tut sie mir in diesem Moment schrecklich leid.
    Der nächste Meteor verglüht als Sternschnuppe in der Atmosphäre.
    »Ich wünsche mir für Noah ein besseres Leben«, flüstert sie. Laut genug, um sie zu verstehen.
    Hilflos werde ich Zeuge eines Weinkrampfes. Nachdem sie sich einigermaßen beruhigt hat, beginnt sie eine einseitige Unterhaltung mit Gott.
    »Ich weiß nicht weiter!« Ihre Stimme dringt deutlich zu mir. »Noah ist so ein lieber Kerl, er beklagt sich nie, aber ich sehe in seinen Augen, dass ihn unsere Situation belastet. Er muss Sachen aus der Kleiderkammer tragen, ich kann ihm fast nie außer der Reihe Kleinigkeiten schenken. Wenn es am Monatsende besonders knapp ist, essen wir in der Suppenküche. Er läuft mit gesenktem Kopf dorthin. Er schämt sich so sehr, dass er immer seltener mit Freunden spielt. Was soll ich tun? Was soll ich deiner Meinung nach tun?«
    Wieder schluchzt sie herzerweichend. Kurz darauf begibt sie sich in ihre Wohnung und schließt die Balkontür.
    Ich bin so ein Arschloch! Wundere ich mich wirklich über mein Karmakonto? Warum bloß habe ich ihr Kind verhaltensgestört genannt?
    Nachdem die Scham angesichts meines ekligen Verhaltens so weit verarbeitet habe, um einen klaren Gedanken zu fassen, treffe ich einen Entschluss. Diese Frau kann mich zwar nicht leiden, außerdem stehen mir nur dreizehn Tage zur Verfügung und zu allem Überfluss habe ich keinen Plan. Doch ich werde ihr helfen.
    Irgendwie.
    ***
    Bedauerlicherweise hat sich das
Irgendwie
morgens von einer groben Idee abgesehen nicht konkretisiert.
    Falls ich mich nicht irre, verlässt Noah meist gegen zwanzig vor acht das Haus.
    Ich lege mich bereits um Viertel nach sieben auf die Lauer. Um seinen Abschied nicht zu verpassen, öffne ich meine Wohnungstür einen Spaltbreit und setze mich auf den Boden.
    Überpünktlich wird die Tür in der oberen Etage aufgeschlossen.
    »Pass gut auf. Auf dem Weg und in der Schule«, bittet meine Nachbarin ihren Sohn.
    »Das mache ich immer«, entgegnet Noah.
    »Heute bin ich voraussichtlich um zwei wieder hier und koche uns Spaghetti Bolognese.«
    »Lecker!«
    »Hab dich ganz doll lieb.«
    »Ich dich auch.«
    Schnellen Schrittes läuft der Junge die Treppe hinunter und verlässt das Gebäude.
    Es dauert ein paar Minuten, bis ich meinen Mut gesammelt habe und mich nach oben begebe. Mit zittrigen Fingern drücke ich die

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