595 Stunden Nachspielzeit - Humorvoller Roman (German Edition)
sein, werde ich mich leichter vor sexuellen Aktivitäten drücken können.
Aber was passiert, falls sie das Krankenschwesterkostüm anzieht und sich rührend um mich kümmert? Könnte ich diesem Outfit widerstehen?
»Super!«, stelle ich fest.
»Was steht heute auf dem Programm?«
Ich rechne damit, dass ihre Hand unter die Bettdecke rutscht, doch Arabella bleibt sittsam wie eine Klosterschülerin.
»Zunächst sollten wir irgendwo frühstücken«, schlage ich vor.
»Warum vermeidest du es eigentlich, Sex mit mir zu haben? An fehlender Manneskraft liegt es ja eindeutig nicht.«
Ich bin versucht, ihr eine abstruse Geschichte aufzutischen, denn die Wahrheit wird sie mir nicht abnehmen. Für einen Schriftsteller besitze ich in diesem Moment jedoch erbärmlich wenig Fantasie, weswegen ich nach einer Weile nur schwach mit den Achseln zucke.
»Was soll’s?«, sagt sie gut gelaunt. »Du bist der Kunde.«
Nach einer erfrischenden Dusche begeben wir uns in ein Restaurant in unmittelbarer Flussnähe, in dem man jeden Sonntag brunchen kann. Wir essen uns satt, danach verleitet uns der herrliche Sonnenschein zu einem ausgiebigen Spaziergang auf den Deichen. Ich erzähle ihr von meinen Büchern, den Lesungen und wie sich ein Roman von der ersten Idee bis zum Abschlusssatz entwickelt. Ihre Fragen ähneln stellenweise denen der Schulkinder während meiner Veranstaltungen. Sie will alles detailliert wissen. Als ich versuche, mehr über sie zu erfahren, blockt sie allerdings ab. Offensichtlich gehört das Teilen ihrer Lebensgeschichte nicht zu ihren Dienstleistungen.
Nachmittags kehren wir wieder in demselben Gasthaus ein, setzen uns erneut auf die Terrasse und lassen uns Kuchen servieren. Dann machen wir uns auf den Heimweg. Bei mir angekommen verkriechen wir uns im Bett. Sie kuschelt sich wie am Vortag an mich und wir dösen so vor uns hin. Bevor wir aufstehen, bietet sie mir an, mich zu massieren. Aus ihrem Trolley holt sie ein nach Rosenblättern duftendes Massagegel. Ich drehe mich auf den Bauch und genieße fast eine Stunde ihre zärtlichen Hände auf meinem Rücken, die wohlige Schauer auslösen.
Schließlich naht der Abschied. Wehmütig beobachte ich sie beim Kofferpacken, ehe ich sie zur Tür begleite.
Sanft küsst sie mich auf den Mund. »Das war das schönste Wochenende seit sehr langer Zeit. Vielen Dank dafür«, flüstert sie, mein Gesicht streichelnd. »Ich hoffe, du findest bald die richtige Frau, die dir schenkt, was du vermisst. Du bist ein total liebenswerter Mann!«
»Ich danke
dir
für diese tollen Tage«, erwidere ich mit einem dicken Kloß im Hals. »Pass auf dich auf! Vielleicht knackst du ja irgendwann den Jackpot.«
Sie lächelt, haucht mir einen Kuss auf die Wange und öffnet die Tür. Ich sehe ihr hinterher, wie sie aus meinem Leben verschwindet. Vom Treppenabsatz aus wirft sie mir eine Kusshand zu. Leise drücke ich meine Wohnungstür zu und lehne mich von innen dagegen.
Hoffentlich hast du zugehört, Sascha. Sie hat sich bei mir bedankt! Minuspunkte wären höchst ungerecht. Ich hab’s sogar geschafft, ihr zu widerstehen. Insofern dürfte meiner Himmelfahrt nichts mehr im Wege stehen.
Sternschnuppenwünsche
Da ich nichts mit mir anzufangen weiß, kehre ich ins Schlafzimmer zurück. Der Duft ihres Parfüms, der sich mit dem des Massageöls vermischt hat, liegt in der Luft. Ich lasse mich aufs Bett fallen und starre im Halbdunkel an die Decke. Bilder des Wochenendes fluten durch meinen Kopf. Überraschenderweise bedaure ich nicht den Verzicht auf Sex. Aufgrund dieser Abstinenz fühlten sich unsere zusammen verbrachten Tage romantischer an als erwartet. Ich lächle bei den Erinnerungen an die Unternehmungen. Warum bloß habe ich mir in den letzten Jahren keine Mühe gegeben, eine Partnerin zu suchen?
Langsam verdrängen zukunftsgerichtete Überlegungen die rosa gefärbten Erinnerungsschätze. In zwei Wochen bin ich tot, meine extrem kurz gehaltene To-do-Liste ist abgearbeitet, wenn auch mit unerwartetem Ausgang.
Wie soll ich die restliche Zeit verbringen?
Bereitwillig öffne ich dem Selbstmitleid Tür und Tor. Ich finde es schrecklich unfair, so zeitig abtreten zu müssen. Womit habe ich das verdient? Natürlich war ich kein Musterknabe und das Wiedersehen mit meinen Ex-Freundinnen führte mir einige Fehler vor Augen. Aber ich habe niemanden getötet, niemanden geschändet. Womit habe ich also dieses viel zu frühe Ende verdient?
Da ich sowieso nicht einschlafen kann, stehe ich wieder
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