595 Stunden Nachspielzeit - Humorvoller Roman (German Edition)
mich Freitagabend per SMS um ein Gespräch gebeten. Sie schrieb, es bestehe noch Hoffnung und sie wolle mir ihre Pläne erläutern. Gleichzeitig schlug sie vor, ich solle vorsorglich meine bei ihr befindlichen Sachen ausräumen, falls ihr Vorhaben scheitert. Also fuhr ich Samstag zu ihr und habe mir alles angehört.«
»Besteht denn Hoffnung?«
»Keine Ahnung«, antwortet Arabella niedergeschlagen. »Einer der Stammgäste leitet eine kleine Sparkassenfiliale. Ein Mann Anfang sechzig, der früher naiv in Liebesbeziehungen gestolpert und zweimal wie eine Weihnachtsgans ausgenommen worden ist. Seitdem hat er von festen Beziehungen die Nase voll. Seine körperlichen Bedürfnisse befriedigt er bei uns. Gudrun hat es ihm angetan, bei seinen Besuchen quatschen sie meist stundenlang. Hat sie besonders gute Laune, geht sie mit ihm aufs Zimmer.«
»Sie? Wo er euch zur Auswahl hat?«
»Du solltest ihn anschließend strahlen sehen. Wahrscheinlich könnte ich von ihr was lernen. Sie hat ihn jedenfalls überredet, ihr einen Kredit in Höhe einer Viertelmillion zu bewilligen. Ich hoffe, das ging mit rechten Dingen zu. Sonst landet dieser arme Kerl in Teufels Küche, wenn sie die Kohle verliert. Mit der Zusage in der Hand kontaktierte sie Dimitri, der sich bereitwillig auf eine Revanche einließ. Gudrun gegen Dimitri. Eine Viertelmillion Bargeld auf der einen Seite, das Haus auf der anderen. Samstagnachmittag um fünfzehn Uhr.«
»In welcher Pokervariante werden sie zocken?«
»Seven Card Studs. Das ist ihre Lieblingsvariante.«
Meine auch, denke ich überrascht, denn die meisten Spieler bevorzugen heutzutage
Texas hold’em
.
»Wie entscheidest du dich, sofern sie pleitegeht?«
»Ich arbeite nicht für diesen schmierigen Lappen und er fasst mich nicht ohne Bezahlung an«, sagt sie entschlossen. »Wir Mädchen haben uns beratschlagt. Sechs werden auf jeden Fall für ihn anschaffen. Sie sind abhängig von den Einnahmen.«
»Ihr seid insgesamt vierzehn Frauen, oder? Was ist mit den Übrigen?«
»Die haben sich noch nicht entschieden. Einige richten sich wohl nach meinem Entschluss. Von Nelly und Candy abgesehen bin ich die Älteste. Die beiden machen aus wirtschaftlichen Zwängen weiter, also orientieren sich die Unentschlossenen an mir.«
Ich merke ihr an, dass ihr diese Verantwortung nicht behagt. »Den Rest des Tages war ich damit beschäftigt, meine Sachen nach Hause zu schaffen. Sobald Gudrun den letzten Cent verspielt hat, werde ich dem Laden den Rücken zukehren.«
»Wo wirst du den Samstag verbringen?«
»Keine Ahnung. Vielleicht dort, vielleicht lasse ich mich bloß per SMS informieren.«
***
Wir liegen lange im Bett wach und wälzen uns von einer Seite auf die andere. Während der Uhrzeiger vorwärtskriecht, fragt sie mich sogar, ob wir uns müde vögeln sollen. Ich lehne dankend ab, da ich ihr nicht abnehme, wirklich Lust zu haben. Außerdem käme mir Sex mit Arabella inzwischen wie Betrug an Katharina vor. Und ich müsste befürchten, von ihr gehört zu werden. Nein. Sex werde ich zu Lebzeiten nicht mehr genießen.
Morgens um halb drei bemerke ich neidisch, dass Arabella endlich Schlaf gefunden hat. Ich bin mit meinen wirren Gedanken allein und kann mich nicht einmal auf den Balkon zurückziehen, weil es nach wie vor in Strömen gießt.
Bedingt durch die Schlaflosigkeit kommt mir die Idee, Dimitri zu einem Duell aufzufordern. Er gegen mich, im Morgengrauen am Flussufer. Ich sehe uns vor meinem inneren Auge, Tau liegt auf den Grashalmen und befeuchtet unsere Schuhe. Wir stehen Rücken an Rücken, auf das Startkommando hin läuft jeder zehn Schritte, dann drehen wir uns um, feuern. Gelingt es mir, den tödlichen Schuss abzugeben, dürfte Gudrun ihr Etablissement behalten und Arabella könnte ihr altes Leben weiterführen. Ich hingegen fange wahrscheinlich als Kakerlake neu an. Verliere ich, löst sich Arabellas Dilemma möglicherweise von selbst, da Dimitri vor der Polizei flüchten muss. Wie sich eine Niederlage karmatechnisch auswirkt, übersteigt mein Vorstellungsvermögen. Zählt der Beweggrund für die Herausforderung stärker oder reicht die Tötungsabsicht, um mich vom Menschen schwuppdiwupp zur Schabe zu verwandeln?
Für eine Weile klingt das nach einem guten Plan. Doch natürlich gibt es für ihn keinen Grund, sich darauf einzulassen. Sollte ich seine Ehre verletzen, indem ich seine Mutter oder seine Genitalgröße beleidige, wird er mich eher schmerzhaft zusammenschlagen, statt sich mit mir zu
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