6. Die Rinucci Brüder: Neapel sehen und sich verlieben
auf.
Als er ihre Stimme hörte, lächelte der hochgewachsene, attraktive Mann strahlend.
„Geh zu ihr, mein Freund“, forderte er den Hund auf, der ihm aufs Wort gehorchte und am Tisch stehen blieb. Er musterte Francesco prüfend, ehe er Celia mit der Schnauze anstupste.
Francesco stand auf und hielt sich zurück, während Celia Sandro die Hand reichte.
„Das ist mein Freund Francesco, er leistet uns Gesellschaft“, stellte sie ihn vor.
Sandro streckte die Hand aus, und Francesco schüttelte sie. Er hat einen festen, angenehmen Händedruck und tritt sehr selbstsicher auf, dachte er anerkennend.
„Francesco, das ist Sandro“, fügte sie hinzu.
„Ich bin Celias Chef“, scherzte Sandro.
„Das kann man so und so sehen!“, protestierte sie belustigt. „Ich bin seine Geschäftspartnerin und berate ihn. In seinem eigenen Interesse sollte er auf mich hören.“
Jetzt lachte er. „Okay, es war einen Versuch wert. Es gelingt mir einfach nicht, mich ihr gegenüber durchzusetzen. Sie ist zu geschickt, streitlustig, stachlig, schwierig, rebellisch – habe ich etwas vergessen?“
„Falls ja, erinnere ich dich später daran“, lachte sie.
„Im Vertrauen, Francesco“, fuhr er fort. „Finden Sie sie nicht auch sehr schwierig?“
„Das Thema lässt du am besten schnell wieder fallen“, mischte Celia sich ein. „Sonst gerät er so in Rage, dass er in die Luft geht.“
„Dafür habe ich volles Verständnis“, meinte Sandro.
„Vielen Dank, aber ich brauche kein Mitgefühl.“ Francesco verabscheute sich selbst dafür, dass er sich so steif und hölzern anhörte.
„Wirklich nicht? Ich bin eher der Meinung, jeder, der jemals Celias Verrücktheiten ausgesetzt war, hat Mitleid verdient.“
„O nein!“, rief sie mit gespielter Empörung.
„Die Wahrheit muss endlich ans Tageslicht kommen.“ Sandro seufzte theatralisch. „Ich bin übersät mit blauen Flecken, wie man mir versichert hat.“
„Und mit roten und gelben“, ergänzte sie.
„Ja, es sieht aus wie ein Pünktchenmuster.“
Celia machte das Herumalbern sichtlich Spaß, wie Francesco sich ärgerlich eingestehen musste. Sie legte Sandro die Hand auf den Arm, die er prompt in seine nahm, während sie so fröhlich und übermütig wie Kinder lachten und scherzten.
Francesco fühlte sich ausgegrenzt und ausgeschlossen – und einsamer als je zuvor in seinem Leben. „Ich lasse euch besser allein“, verkündete er schließlich halbherzig. In Wahrheit hätte er die beiden gern noch beobachtet.
„Trinken Sie noch einen Kaffee mit uns“, forderte Sandro ihn höflich auf.
„Okay, danke.“ Danach würde er sich verabschieden. Celia wolle er nie wiedersehen, das war das Beste für ihn und sie. Er musste sie ganz aus seinem Gedächtnis streichen.
„Wie laufen die Geschäfte?“, erkundigte er sich, obwohl er Small Talk hasste.
„Man kann sagen, wir heben ab“, erwiderte sie.
Zu Francescos Überraschung stöhnte Sandro auf. „Du hattest doch versprochen, auf zweideutige Bemerkungen zu verzichten.“
„Stimmt“, gab sie reumütig zu. „Es tut mir leid.“
„Sie liebt zweideutige Bemerkungen, aber ich kann sie nicht mehr hören“, wandte er sich an Francesco.
„Ich verstehe gar nichts mehr. Wieso war das zweideutig?“
„Das erkläre ich Ihnen gern. Unsere Firma heißt Follia Per Sempre, und sie gehörte mir allein, bis meine Freundin hier eine feindliche Übernahme …“
„Ich bin als Teilhaberin eingestiegen, mir gehört nur die Hälfte“, protestierte sie.
„Egal, jedenfalls helfen wir blinden Menschen“, fuhr Sandro fort.
„Mit technischen Hilfsmitteln?“
„Du liebe Zeit, nein, nicht mit solchem Zeug. Wie der Name schon sagt, wir helfen Blinden, verrückte Dinge zu tun.“
„Wie Tiefseetauchen“, murmelte Francesco.
„Ja genau, und wir wollen auch Fallschirmspringen anbieten“, erklärte Sandro. „Jetzt verstehen Sie sicher die Doppeldeutigkeit …“
„Fallschirmspringen?“ Francesco ließ ihn nicht ausreden. Trotz aller guten Vorsätze gelang es ihm nicht, sein Entsetzen zu verbergen. „Meinen Sie das ernst?“
„Klar. Wieso nicht?“ In Celias Stimme lag ein herausfordernder Ton.
„Weil du blind bist, deshalb.“ Francesco gingen die Nerven durch. „Es ist eine verrückte Idee. Du kannst dabei tödlich verunglücken.“
„Das kann jedem passieren“, hielt sie dagegen. „Weshalb sollen wir als Blinde nicht dasselbe machen wie Sehende?“
„Man kann mit Fug und Recht behaupten, wir seien
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