60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken
es eine Freude, eine Wonne ist! Er konnte schon Papa sagen! Herrgott! Papa! Und was für ein Papa bin ich gewesen! Ein Rabenvater, der – der – der –“
Er schluchzte!
Der Hauptmann sagte kein Wort. Nach einer Pause fuhr der Riese fort:
„Der Kleine packte mich beim Bart und beim Haar und zauste mich, daß es eine Freude war. Und dann legte er mir den Kopf auf die Achsel und die Ärmchen um den Hals, und nun trat meine Frau herbei und nahm – nahm – nahm mich von der anderen Seite und fragte mich, weinend, ob das denn nicht ein Glück – ein Glü – ein Gl –“
Seine Stimme brach in Weinen. Er schlang die Arme um den nächsten Baum und legte den Kopf an den Stamm, als ob er seine starke, mächtige Gestalt stützen müsse. Das dauerte eine ziemliche Weile. Dann begann er abermals:
„Was mögen sie machen? Werden sie an mich denken? Papa wird der Kleine sagen; aber der, nach dem er sich sehnt, der liegt in Ketten. Der Fürst des Elends hatte recht, ganz recht!“
„Machst du es anders?“ fragte der Hauptmann jetzt.
„Ja. Ich könnte!“
„Wie denn?“
„Durch die Flucht.“
„Und deine Frau, dein Kind?“
„Die nehme ich beide mit.“
„Schwatze keinen Blödsinn! Mit diesen beiden hätten sie dich bald wieder ergriffen.“
„Ich würde sie und mich verteidigen wie ein Löwe!“
„Aber doch untergehen! Und was hätten sie dann davon? Nein! Hast du die Deinigen wirklich so lieb, wie du sagst, so ist das ein Grund mehr, mir zu gehorchen. Tust du das, so bist du in drei oder vier Wochen freigesprochen.“
Der Riese richtete seine Gestalt freudig in die Höhe.
„Ist das wahr?“ fragte er.
„Ich verspreche es dir! Ich gebe dir mein Ehrenwort!“
„Das Urteil wird lauten, daß ich unschuldig bin?“
„Ja.“
„Und ich kann dann zu meinem Weib und meinem Kind gehen?“
„Ja. Du bist dann vollkommen und vollständig frei.“
„Das klingt freilich gut, das klingt ganz so, wie ich es haben will!“
„Und es wird auch so werden!“
„Was habe ich da zu tun?“
„Du steigst noch einmal ein.“
„Gut, gut! Es handelt sich um die Freiheit und um Weib und Kind. Folge ich dem Fürsten, so komme ich ins Zuchthaus. Folge ich Ihnen, so werde ich frei. Da ist die Wahl nicht schwer.“
„Du willigst also ein?“
„Ja, ich will. Aber eine Bedingung stelle ich!“
„Welche?“
„Es darf kein Mord dabei sein!“
„Es ist auch keiner dabei. Du sollst bei einer Dame einsteigen und ihren Schmuck holen.“
„Darauf gehe ich ein. Wer ist sie?“
„Die Tochter des Obersten von Hellenbach.“
„Die? Ah, die kenne ich, und ihr Haus auch.“
„Das ist gut.“
„Wie aber komme ich hinein?“
„Durch das Haus Nummer Elf in der Wasserstraße.“
„Wie aber komme ich in dieses?“
„Ich habe den Schlüssel. Hier ist er!“
Er gab dem Riesen den Schlüssel. Dieser betrachtete ihn beim Schein des Schnees und fragte:
„Sapperment, das ist kein Nachschlüssel, sondern ein Original! Wie kommen Sie dazu?“
Der Hauptmann hütete sich natürlich, zu sagen, daß er der Besitzer des Hauses sei. Er antwortete:
„Das ist Nebensache! Du öffnest vorsichtig und kommst ohne Gefahr bis in den Hinterhof. Die Mauer stößt an Hellenbachs Garten.“
„Ist sie hoch?“
„Allerdings. Beinahe fünf Ellen.“
„Wie komme ich da hinüber?“
„Sehr einfach. Grad an dieser Mauer hängt eine Leiter. Sie ist wegen Feuergefahr vorhanden. Sie ist zwar sehr lang, aber es hängt dabei noch eine viel kürzere, welche passen wird.“
„Gut! Und nachher?“
„In Hellenbachs Hof angekommen, ist es das dritte Fenster der zweiten Etage, von links gerechnet, wo du einsteigen mußt.“
„Der zweiten –! Alle Teufel! Wie komme ich da hinauf?“
„Sehr einfach. Auch auf einer Leiter!“
„Wo finde ich die?“
„Ich habe sie mit.“
„Wo?“
„Hier. Dort zwischen den Bäumen liegt sie.“
„Und die soll ich von hier nach der Wasserstraße schleppen?“
„Ja.“
„Durch einen Hausflur, zwei Höfe und einen Garten?“
„Ja.“
„Nehmen Sie es mir nicht übel! Aber, sind Sie etwa verrückt, Herr?“
„Nein. Ich traue dir aber viel zu; denn ich weiß, daß dir keiner gleichkommt.“
„Da ist aber Unmögliches verlangt!“
„Pah! Es ist nicht so schwer. Komm und sieh dir die Leiter an!“
Er zog ihn ein Stück weiter fort bis zu einem Baum, an welchem ein hier nicht deutlich zu erkennender Gegenstand lehnte. Der Riese betastete ihn.
„Ah, aus Eisen“,
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