60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken
Mietzins betreffen, zu spezifizieren.“
„Das kann ich, aber es hat keinen Zweck.“
„O doch!“
„Nun, welchen?“
„Den der Kontrolle.“
„Was?“ brauste der Fromme auf. „Sie wollen mich kontrollieren?“
„Nein. Aber ich habe als Sohn die Verpflichtung, meinem Vater zu zeigen, wofür ich mein Geld ausgebe. Ich selbst also bin es, welcher kontrolliert werden soll. Schreiben Sie mir besonders den Namen des Rechtsanwaltes auf, bei welchem Sie die Exmissionsklage fertigen ließen. Sie müssen die Liquidation dieses Herrn in den Händen haben. Geben Sie mir eine mit Ihrer Unterschrift versehene Abschrift davon. Ich werde alles bezahlen, nur bitte ich Sie, alles zu unterschreiben!“
Da stand der Vorsteher von seinem Stuhl auf und rief ihm zu:
„Mensch! Sünder! Du beleidigst Gott, indem du seinen Diener lästerst. Eine von mir beglaubigte Abschrift einer weltlichen, einer profanen, einer advokatorischen Liquidation! Das ist Schändung meines Amtes. Die Zunge, welche solche Forderungen stellt, sollte eigentlich verdorren. Bertram, ich sehe ein, daß Sie nie zu bessern sind. Ich gebe Sie verloren für alle Zeit und Ewigkeit; aber ich wasche meine Hände in Unschuld, denn ich habe zu Ihrer Rettung getan, was ich konnte. Ich mag nichts mit Ihnen zu tun und nichts mit Ihnen gemein haben. Ich mag nichts von Ihnen erhalten. Ich schenke Ihnen alles, alles, die Buchungskosten, die Quittungsgebühren, die Zinsen der Schuld und sogar die Anwaltskosten. Ich will lieber dieses irdische Opfer bringen, als den kleinsten Dinar, den geringsten Obolus mein eigen nennen, nachdem er sich in Ihrer Hand befunden hat! Aber den Mietzins kann ich Ihnen nicht erlassen, denn der gehört mir nicht, sondern dem Eigentümer des Hauses.“
Über das hagere Leidensgesicht des Jünglings glitt ein unbeschreibliches Lächeln. Freude, Stolz und Verachtung fanden ihren Ausdruck in demselben. Er sagte in möglichster Ruhe:
„Da hat Gott Ihnen einen guten Gedanken eingegeben. Ihr Rechnung wäre in die Hände des Anklägers gekommen. Jetzt weiß ich selbst genau, wieviel ich Ihnen zu bezahlen habe. Hier ist das Geld. Quittieren Sie schnell, damit ich so rasch wie möglich aus Ihrer Seligkeit hier in mein Gomorrha komme!“
Der Fromme sprach kein Wort weiter. Er steckte das Geld ein, schrieb die Quittung und warf sie ihm hin. Selbst als Robert, bevor er ging, noch grüßte, erhielt er keine Antwort. Er war ja dem Teufel verfallen. Der Frömmler durfte ihn keines Wortes mehr würdigen.
Als Robert zu Hause ankam, gab es noch immer Tränen, aber sie waren bald gestillt, als er die Quittung vorzeigte und dann bewies, daß er sogar noch Geld übrig habe.
„Woher aber hast du denn eine so große Summe erhalten?“ fragte sein Vater.
Er fiel vor Freude in einen fürchterlichen Husten, denn die erstere griff ihn ebenso an wie die Traurigkeit.
Robert erzählte es, ließ aber weg, daß er die Kette zum Pfand dort gelassen hatte. Marie erhielt Geld, um Speise und anderes Notwendige herbeizuschaffen. Er ging mit ihr, um sich in das Haus des Juden zu begeben. Unten auf der Straße meinte sie, indem sie sich selbst zu trösten versuchte:
„Glaubst du, daß es möglich ist, das Öl aus der Stickerei zu entfernen?“
„Ich bin kein Chemiker; ich kann da leider gar nichts sagen.“
„Ich hoffe es. Ich habe recht innig zu Gott gebetet, daß er mir die Freude machen soll, damit ich morgen auch Geld bringen kann. Hast du vielleicht Wilhelm gesehen?“
„Nein. Ist er nicht daheim?“
„Noch nicht!“
„Du warst bei seiner Mutter?“
„Ja.“
„Vielleicht hat er Überstunden zu arbeiten.“
„Das ist möglich. Sein Prinzipal ist heute mittag dagewesen und heute abend mit einem Herrn wiedergekommen, um die Maschine zu holen, welche für den Engländer bestimmt ist.“
„So arbeitet er jedenfalls daran.“
Die guten Kinder wußten nicht, daß der andere Herr, der mitgekommen war, ein Polizist in Zivil gewesen war.
Robert wurde, als er an der Tür des Juden klopfte, von der alten Rebekka eingelassen. Sie blickte ihn freundlich an, nickte ihm zu und fragte ihn zutraulich:
„Ist es wahr, daß Sie oft Hunger gelitten haben?“
„Ach ja! Zuweilen!“
„Nun, dann werden Sie Ehrenketten empfangen von Fürsten und Potentaten, und man wird Ihren Namen ausmeißeln in Gold, den Buchstaben zu zwanzig Kreuzer beinahe. Gehen Sie eine Treppe höher, wo Ihrer wartet das Mahl nebst Knoblauch als Gewürz!“
Er wußte allerdings nicht, was
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