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60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

Titel: 60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gegenüberliegenden Wegsaum der Hauptmann hervor. Brand blickte ihn zornig an und sagte:
    „Herr, Sie haben uns belauscht!“
    „Allerdings“, gestand der Hauptmann gleichmütig. „Ich wollte mir Gewißheit verschaffen über die Art und Weise, in welcher Sie mit der Baronesse verkehren. Ich habe mich überzeugt, daß Ihr Verhältnis ein rein geschwisterliches ist und habe meine Verpflichtung kennengelernt. Herr Brandt, ich habe Sie gestern außerordentlich beleidigt; ich befand mich in einer Aufregung, welche ich so hochgradig noch nie an mir beobachtet habe. Können Sie mir verzeihen? Ich bin natürlich zu jeder Art von Satisfaktion bereit.“
    „Ich bin allerdings nicht gewohnt, in der Weise, wie es von Ihnen geschah, mit mir sprechen zu lassen, aber wenn ein Ehrenmann, wie Sie es sind, die Beleidigungen zurücknimmt, so bin ich gern erbötig, es so zu betrachten, als ob sie nicht ausgesprochen worden seien. Nur bitte ich, den Herrn Baron informieren zu wollen, damit er mir nicht länger zürnt!“
    „Das wird sofort geschehen. Ihre Hand, Herr Brandt?“
    „Hier ist sie. Denken wir nicht mehr an diese Angelegenheit.“
    „Ich danke Ihnen! Sie sind ein Ehrenmann und ich drücke Ihnen die Hand mit dem Wunsche, daß – Gott, o Gott!“
    Es war aus nächster Nähe ein Schuß gefallen. Er ließ die Hand Gustavs los und fuhr sich mit den beiden seinigen nach dem Herzen. Zu gleicher Zeit fiel ein zweiter Schuß. Der Hauptmann sank, von zwei Kugeln durchbohrt, zu Boden.
    Brandt hatte einige Augenblicke lang dagestanden, wie vom Schreck gelähmt; jetzt aber sprang er in das Dickicht hinein.
    „Tod und Teufel, wer hat da mit meiner Büchse geschossen?“
    Er sah wohl das Gewehr, es lag am Boden, der Schütze aber war verschwunden, und nicht das leiseste Geräusch zeigte die Richtung an, in welcher er entflohen war. Vor allen Dingen mußte nach dem Hauptmann gesehen werden. Gustav kehrte also, das abgeschossene Gewehr in der Hand, zu ihm zurück.
    Grad in demselben Augenblick, an welchem er durch die Sträucher brach, welche den Rand des Weges säumten, hörte er leichte, eilige Schritte nahen und blieb stehen, um zu sehen, wer da komme. Es war – Alma. Sie hatte allerdings nach dem Schloß zurückkehren wollen, aber kaum von ihm fort, waren laute Stimmen an ihr Ohr gedrungen und sie hatte ganz unwillkürlich ihre Schritte gehemmt, um zu horchen.
    „Mit wem spricht er jetzt?“ fragte sie sich. „Es befand sich ja niemand bei ihm! Er war allein.“
    Wenn sie auch die einzelnen Worte nicht verstehen konnte, so kannte sie doch die Stimme: es war diejenige des Förstersohns und des Hauptmanns.
    „Mein Gott!“ flüsterte sie angstvoll. „Gestern die böse Szene auf dem Tannenstein und jetzt treffen sie sich hier auf dem einsamen Waldweg. Der Hauptmann war so grimmig, und Gustav wird sich nicht ungestraft beleidigen lassen. Ich muß schleunigst zurückkehren, denn da ich – Herr Jesus Christus, was ist das! Das hat ein Unglück gegeben, ein entsetzliches, ein fürchterliches Unglück!“
    Es waren an dem Ort, an welchem sie Gustav verlassen hatte, schnell hintereinander zwei Schüsse gefallen. Sie wollte fort, hin, zurück, aber ihre Füße versagten ihr den Dienst. Sie stand vor Schreck wie gelähmt und erst nach einem Weilchen erhielt sie ihre Beweglichkeit zurück.
    Sie stürzte hin, wo die Schüsse gefallen waren. Als sie dort ankam, bot sich ihr ein gräßlicher Anblick dar. Der Hauptmann lag lang ausgestreckt in einer Blutlache am Boden. Aus seiner Brust quoll ein dicker Strom der kostbaren Lebensflüssigkeit, und vor ihm stand Gustav, verzerrten Angesichts und das abgeschossene Doppelgewehr in der Hand. Es wurde ihr schwarz vor den Augen und es war ihr, als ob die Umgebung sich in rasender Schnelligkeit um sie zu drehen beginne.
    „Heiliger Himmel!“ stotterte sie. „Du hast ihn erschossen! Du bist ein Mörder.“
    Sie fuhr mit den Armen durch die Luft, als ob auch sie von einer Kugel getroffen worden sei, und brach dann besinnungslos zusammen.
    „Alma!“ rief er und kniete, den Hauptmann über sie ganz vergessend, neben ihr nieder. „Ich bin kein Mörder! Nicht ich bin es gewesen, der geschossen hat! Wache auf und höre mich!“
    Er ergriff ihre Hände, welche kalt waren. Er nahm ihr Köpfchen auf und küßte sie auf den erblaßten Mund. Er war so bestürzt, daß er gar nicht wußte, was er tat. Er drückte sie an sich; er küßte und liebkoste sie wieder und immer wieder; er bemerkte gar nicht,

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