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60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

Titel: 60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Pakete bewacht hatten, waren einige Gendarmen gestoßen, um mit ihnen die Ankunft der gerichtlichen Kommission zu erwarten. Die Unterhaltung, welche zwischen ihnen geführt wurde, bezog sich natürlich auf das Ereignis der letzten Nacht und wurde in der lebhaftesten Weise geführt. Diese Lebhaftigkeit aber verhinderte nicht, daß man die beiden Schüsse hörte, welche ja an einem nicht weit entfernten Ort fielen.
    „Was war das?“ fragte einer der Gendarmen. „Man hat zweimal geschossen. Der Förster kann es nicht gewesen sein. Es ist in der Richtung jenes Weges gewesen, welcher dort nach dem Schloß führt. Vorwärts! Wir müssen sehen, wer es war!“
    Er eilte fort, und die Mehrzahl der Anwesenden folgte ihm. Auf halbem Weg kam ihnen der Baron entgegen. Er schien sehr erschreckt und echauffiert zu sein.
    „Ah, welch ein Glück, daß Gendarmen anwesend sind!“ rief er. „Meine Herren, soeben bin ich Zeuge eines gräßlichen Mordes gewesen.“
    „Eines Mordes?“ fragte der Gendarm. „Wir haben zwei Schüsse gehört. Wer ist erschossen worden?“
    „Der Hauptmann von Hellenbach.“
    „Alle Teufel! Von wem denn?“
    „Von Gustav Brandt, dem Sohn des hiesigen Försters.“
    Der Beamte fuhr ganz erschrocken zurück.
    „Das ist unmöglich! Das muß ein Irrtum sein!“ sagte er.
    „Herr, ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen.“
    „Und dennoch kann ich es kaum glauben, begreifen aber gar nicht. Herr Brandt ist Jurist; er ist in der Residenz angestellt; er ist von dort nach hier beordert worden, um das Verbrechen zu steuern, er kann nicht selbst ein Verbrecher sein!“
    Da maß der Baron den Sprecher mit seinem stolzesten Blick, machte eine sehr geringschätzige Bewegung der Achsel und sagte:
    „Hat es noch keinen Juristen, keinen Beamten gegeben, welcher ein Verbrecher war? Eine Ansicht, eine Meinung kann nichts gelten, wo das Auge gesehen und das Ohr gehört hat, was geschehen ist. Sie sind Polizeibeamter; als solcher erhalten Sie von mir die Mitteilung, daß Brandt den Baron vor meinen Augen erschossen hat, und ich fordere Sie allen Ernstes auf, Ihre Pflicht zu tun!“
    „Habe ich gesagt, daß ich sie nicht tun will? Wo liegt der Tote?“
    „Da drin auf dem Wege.“
    „Und wo befindet sich der Mörder?“
    „Als ich fort eilte, befand er sich noch in der Nähe der Leiche.“
    „Das wäre unbegreiflich. Ein Mörder flieht und verbirgt sich. Er bleibt nicht bei seinem Opfer stehen, besonders wenn er weiß, daß man die Tat gesehen hat.“
    „Er weiß nicht, daß ich Zeuge derselben bin. Ich sah, daß er den Hauptmann niederschoß und daß Baronesse Alma dazu kam. Ich wußte, daß sich Beamte in der Schlucht befinden und eilte, um ihnen Anzeige zu machen.“
    „Ah, die Baronesse kam dazu? Was sagte und was tat sie? Wo befindet sie sich?“
    „Sie nannte ihn einen Mörder und wurde dann ohnmächtig. Der Ermordete war ihr Verlobter. Ich fordere Sie auf, zu eilen, damit der Mörder nicht entkommen kann.“
    „So kommen Sie!“
    Als sie den Platz erreichten, an welchem die Leiche lag, kniete Gustav, mit Alma beschäftigt, noch immer auf der Erde. Er sah kaum, daß Menschen daherkamen; er beachtete sie gar nicht. Eben öffnete sie die Augen. Sie sah, daß sie in seinen Armen lag; sie sah auch die Anwesenden, und eine jähe Röte flog über ihr Gesicht. Dann jedoch fiel ihr Blick auf den Toten. Das Blut trat aus ihren Wangen zurück; ihre Züge nahmen den Ausdruck der Furcht, des Abscheus an; sie machte eine Bewegung des Widerwillens, wand sich aus seinen Armen, vermied es, den Blick abermals auf den Ermordeten fallen zu lassen und sagte:
    „Unglücklicher! Laß mich! Deine Hände rauchen von dem Blut, welches du vergossen hast!“
    Diese Worte erst ließen ihn an die Gefahr denken, in welcher er sich befand. Er wendete seinen Blick von ihr weg auf die anderen und sagte:
    „Ich? Ich soll dieses Blut vergossen haben? Das ist ein Irrtum, ein großer, ein ungeheurer Irrtum!“
    Da trat der Gendarm zu ihm heran und fragte:
    „Herr Brandt, Sie stellen in Abrede, die beiden tödlichen Schüsse abgefeuert zu haben?“
    „Ja, ganz entschieden! Aber, bitte, untersuchen wir erst den Hauptmann! Vielleicht ist noch Leben in ihm. Er würde es mir bezeugen, daß ich die Tat nicht begangen habe.“
    Man folgte diesen Worten, aber es zeigte sich leider, daß nicht eine Spur von Leben mehr vorhanden war. Alma hatte abseits gestanden, an einen Baum gelehnt. Ihr Gesicht war bleich; es zeigte eine fast wächserne

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