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60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

Titel: 60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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In dem Kästchen befanden sich zwei unscheinbare, breitgedrückte Lederbeutel, so daß sie die Form des Buches angenommen hatten. Sie enthielten Steine von der Größe einer Erbse bis zu derjenigen einer großen Hasel- oder Lambertsnuß, welche ganz und gar nicht das Aussehen hatten, als ob sie von irgendwelchem Wert seien.
    „Was ist das?“ fragte sie.
    „Diamanten meist, auch Rubine, Saphire und Smaragde“, antwortete er in einem Ton, als ob es sich nur um Kieselstücke handle.
    Sie fühlte etwas wie Fieber durch ihre Adern und Nerven gehen. Also das waren die Schätze, nach denen sie trachtete! Sie machte den Deckel zu und gab ihm das Kästchen mit den ‚Königen der Steine‘ zurück, sonst hätte sie sich verraten; er hätte ihre Aufregung bemerken müssen. Aber ohne daß sie es ahnte, beobachtete er sie scharf. Er sah das Zittern ihrer Hände; er sah, daß ihre Lippen zuckten, obgleich sie die Zähne zusammenpreßte; er sah auch den gierigen Glanz ihrer Augen, und nun wußte er gewiß, daß er recht vermutet habe und daß er siegen werde.
    „Was nun habe ich von diesen Schätzen?“ fragte er. „Da stecken sie! Was für Nutzen bringen sie mir?“
    Sie vermochte nicht zu antworten; sie kehrten in das Kabinett zurück, wo Adolf bald den Tee servierte. Während sie diesen letzteren einnahmen, war die Unterhaltung eine sehr wortkarge. Da drückte der Fürst auf die Glocke. Der Diener erschien.
    „Ein Glas frisches Wasser!“ befahl der Fürst.
    Das war das verabredete Zeichen. Nach kurzer Zeit kehrte Adolf mit dem Wasser zurück und meldete:
    „Verzeihung, gnädiger Herr! Der Hausmeister –“
    „Was ist?“ fuhr der Fürst auf, als ob er über diese Meldung, die ihm eine Störung in Aussicht stellte, ungehalten sei.
    „Der Hausmeister wünscht Durchlaucht zu sprechen.“
    „Morgen! Ihr wißt ja, daß ich jetzt nicht zu sprechen bin!“
    „Er sagt, es sei sehr dringend, es handle sich um die Rechnungsvorlage, welche morgen mit dem Frühesten –“
    „Ah, so! Unangenehm, höchst unangenehm! Aber es ist wirklich dringend.“
    Nichts konnte der Baronin erwünschter kommen, als diese Unterbrechung. Sie hatte zu ihrer großen Freude bemerkt, daß der Fürst den Schlüssel des Juwelenschrankes nicht abgezogen hatte, sie sagte:
    „Bitte, Durchlaucht, lassen Sie sich durch meine Gegenwart nicht bestimmen, etwas Notwendiges und Dringendes zu vernachlässigen!“
    „Auch wenn ich mich für zehn Minuten oder gar noch länger von Ihnen beurlauben müßte?“ Er wollte ihr hinreichend Zeit geben, ihr Vorhaben auszuführen.
    „Auch dann!“ antwortete sie.
    „Zehn Minuten wenigstens wird es währen. Sie sind zu gütig, meine Gnädige; aber da liegen Zeitungen und Illustrationen, mit denen Sie die kurze Einsamkeit auszufüllen vermögen. Adolf, sage dem Hausmeister, daß ich sofort komme. Er mag mich unten in seinem Zimmer erwarten, wo er ja die Bücher hat. Du aber gehst hinunter in den Stall, um zu sehen, ob der Kutscher die Pferde für später bereithält.“
    Um die Baronin ganz sicher zu machen, gab er dem Diener einen scheinbaren Auftrag, der ihn eigentlich für einige Zeit entfernt hätte. Sie sollte überzeugt sein, daß sie allein und unbeobachtet sei.
    „Zu Befehl, Durchlaucht!“ sagte Adolf und entfernte sich.
    Er wußte natürlich, daß der Auftrag, den er erhalten hatte, nur eine Finte sei. Draußen zog er die Stiefel aus, versteckte sie und begab sich nach dem Toilettenzimmer. Dieses hatte zwei Türen; die eine führte in das Kabinett, in welchem sich der Fürst mit seinem Besuch befand; durch diese Tür waren ja die beiden in die Toilette getreten; die andere ging nach dem Korridor. Durch diese letztere trat der Diener leise und unhörbar auf den Strümpfen ein, kroch unter den Tisch und ordnete die bis auf den Boden herabreichende Decke desselben so, daß er den Schrank und alles, was bei demselben vorgenommen wurde, genau beobachten konnte.
    Der Fürst trank sein Glas langsam aus, um dem Diener Zeit zu geben, seinen Lauscherposten einzunehmen, und entfernte sich dann. Die Baronin war allein.
    Sie erhob sich von ihrem Sessel und lauschte. Sie war allein. Sie legte die Hand auf ihre stürmisch klopfende Brust und fragte sich:
    „Soll ich, oder soll ich nicht? Hier die Angst um das Gelingen, die Furcht vor dem ertappt werden, und dort Schätze, die mir niemals wieder geboten werden! Ah! Er war kalt und zurückhaltend; er hat kein Herz! Die Steine müssen mir gehören!“
    Sie öffnete die

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