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60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

Titel: 60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ganze Reihenfolge von Schüssen hatte sich entladen, und das Zimmer war von dichtem Pulverdampf erfüllt.
    „Herr, mein Gott!“ rief sie, im höchsten Grad erschrocken.
    Sie wollte nach der Tür eilen. Er aber sagte in beruhigendem Ton:
    „Bleiben Sie! Sie standen und stehen ja nicht in Schußlinie!“
    Er trat zum Fenster und öffnete es, damit der Rauch abziehen könne; dann wendete er sich wieder zu ihr:
    „Bereits der kleine Druck, den das Gewicht eines Schlüssels hier auf den Fußboden ausübt, reicht hin, die Batterie zu entladen; wieviel sicherer wird dies geschehen, wenn ein Mensch, ein Dieb hinzuträte, um ohne mein Wissen und ohne meine Erlaubnis die Kasse zu öffnen!“
    Der Rauch verzog sich. Man konnte den Geldschrank wieder deutlich sehen, aber es war nicht zu bemerken, von woher die Schüsse gekommen waren. Der Fürst öffnete mit Hilfe eines Schlüssels und indem er an einem Buchstabenzirkel drehte.
    „Sehen Sie jetzt, meine Gnädigste!“ sagte er. „Das Schloß ist nur von einem zu öffnen, der das Geheimnis kennt. Sollte es dennoch einem Unberufenen gelingen, der auch von den vorigen Schüssen nicht getroffen worden wäre, so würde er sicherlich nun von einer tödlichen Salve empfangen. Hier sehen Sie die Läufe! Die Schüsse gehen nur aus dem Grund nicht los, weil mir der Griff bekannt ist, mittels dessen man die Hähne in Ruhe versetzt.“
    Hinter den beiden geöffneten Türen starrten eine ganze Anzahl drohender Läufe entgegen.
    „Glauben Sie, daß ein Dieb mich bestehlen kann?“ fragte er.
    „Nein“, antwortete sie.
    Sie sagte das aus vollster Überzeugung. Sie war jetzt sicher, daß der heutige Einbruch nicht viel ergeben werde. Die Juwelen befanden sich ja ganz sicher in diesem Verwahrungsort. Um sich aber doch zu überzeugen, fragte sie:
    „Natürlich befinden sich Ihre Steine und Brillanten auch in diesem Schrank?“
    Er verschloß den Schrank wieder und antwortete unter einem feinen Lächeln, dessen Bedeutung sie allerdings nicht verstand:
    „Nein. Sie sind an einem viel sichereren Orte aufbewahrt. Hier befinden sich nur meine Gelder und Papiere. Sehen Sie hier!“
    Er hob den Schlüssel auf, welchen er vorhin zu Boden geworfen hatte und öffnete mit demselben die breiten Doppeltüren des zweiten Schranks. Er war von unten bis oben hinauf mit Büchern gefüllt, deren mit Goldschrift versehene Rücken ihnen entgegenglänzten.
    „Ah, Ihre Bibliothek!“ sagte sie enttäuscht.
    „Das scheint nur so!“ antwortete er. „Nehmen Sie zum Beispiel einmal diesen Band, und prüfen Sie seine Schwere!“
    Er nahm eines der Bücher heraus und gab es ihr in die Hand. Es wog sehr schwer, und als sie den Band genauer betrachtete, bemerkte sie, daß es kein Buch, sondern ein Holzkästchen war.
    „Da, wo man ein Buch öffnet, macht man auch hier auf“, sagte der Fürst. „Probieren Sie es einmal, Baronin!“
    Sie öffnete und stieß einen Ruf des Erstaunens aus. Sechs kostbare Bracelets glänzten ihr entgegen, mit Perlen, Rubinen und Smaragden ausgelegt. Sie verschlang den Schmuck förmlich mit den Augen. So kostbare, fremdartige Arbeit hatte sie noch nicht gesehen.
    „Mein Gott, welchen Wert müssen sie haben!“ sagte sie.
    „Nur sechzigtausend Gulden“, antwortete er einfach. „Weiter!“
    Er öffnete nun Buch um Buch, das heißt, Kasten um Kasten. Aus jedem funkelte, flimmerte und brillierte es ihr entgegen, daß ihr die Augen zu schmerzen schienen. Berloques, Ringe, Ketten, Arm- und Halsbänder, Broschen, Boutons, Arm- und Fußspangen, alle, alle Arten von bekannten und fremdartigen Schmuckgegenständen waren da zu sehen, teils einfach massiv in Gold oder Silber oder, was meist der Fall war, mit den wertvollsten Steinen und Perlen ausgelegt. In riesigen Folianten befanden sich massiv goldene Gefäße oder Teile von Gegenständen, welche nur zusammengesetzt zu werden brauchen, um Leuchter und dergleichen zu bilden.
    Ella kam aus einer Art von Entzückung gar nicht heraus.
    „Das ist allerdings wahr“, sagte sie. „Diese Bibliothek ist tausendmal mehr wert als Ihr Palais mit all seiner Einrichtung!“
    „Oh, dieses kleine Bändchen ist mehr wert, als die ganze Bibliothek“, sagte er, indem er ein Kästchen hervornahm, welches sie noch nicht in der Hand gehabt hatte. „Lesen Sie!“
    Er hielt ihr den Rücken des scheinbaren Buches entgegen. Auf demselben war in französischen Worten zu lesen: ‚Les rois des pierres‘, zu deutsch: ‚Die Könige der Steine‘. Er öffnete.

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