60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken
sagte:
„Was denkst du da eigentlich. Du meinst, daß ich die Kostbarkeiten hierherbringen lasse?“
„Natürlich!“
„Bist du verrückt?“
„Herr Baron!“
„Pah! Ich dachte, wir beide brauchten uns nicht mit unnützen Höflichkeiten zu überschütten. Deine Ansicht ist eine vollständig verrückte und wahnsinnige.“
„Wieso?“
„Das siehst du nicht ein? Heute abend hat der Fürst dir seine Schätze gezeigt, und einige Stunden später werden sie geraubt. Wie nun, wenn man sie bei uns sucht?“
„Jetzt bist du verrückt!“
„Denkst du etwa, man wird uns aus Angst und Hochachtung fernbleiben? Bei einem solchen Raub macht die Polizei andere Augen und andere Anstrengungen als bei einem Kartoffeldiebstahl. Das kannst du dir denken.“
„Hm! Der Fürst wird allerdings rasend vor Wut sein!“
„Das läßt sich denken. Ich wollte, ich stände bei ihm, wenn er den leeren Schrank erblickt! Gesegnete Mahlzeit!“
„Wohin aber läßt du denn die Sache schaffen?“
„Ins geheime Depot natürlich.“
„Sind sie dort auch wirklich sicher?“
„Wie in Abrahams Schoß!“
„Aber leider werden wir auf den größten Teil dieser Schätze verzichten müssen. Das ist ärgerlich!“
„Wieso verzichten?“
„Nun, deine Leute wollen doch ihren Anteil haben!“
„Den Teufel sollen sie erhalten, aber weiter nichts. Sie bekommen ihren Lohn, nach Umständen ihre Gratifikation; aber was sie heut vom Fürsten holen, das gehört mir!“
„Wenn sie einverstanden sind!“
„Das wird sich finden. Übrigens müßten sie unter allen Umständen sehr lange warten. Solche Gegenstände lassen sich nur schwer zu Geld machen. Und wenn sie ja die Köpfe schütteln sollten, nun, so verschwinde ich mit dem Schatz.“
„Wohin?“
„Wohin? Höre, du bist heute wirklich von einer ganz unvergleichlichen Naivität! Wohin? Hier bleibe ich natürlich!“
„Da haben sie dich ja fest!“
„Unsinn! Keiner von ihnen weiß, daß der Baron von Helfenstein ihr Anführer ist. Der geheimnisvolle Hauptmann wird aufgehört haben, zu existieren. Ich habe dann, was ich brauche, und werde mein Leben genießen. Hast du sonst noch etwas zu bemerken, vielleicht etwas vergessen?“
„Nein. Doch ersuche ich dich nochmals dringend, bei diesem so außerordentlichen Streich ja alle Vorsicht anzuwenden!“
„Natürlich! Ich werde sogar vorsichtiger sein, als du denkst. Ich werde, während man bei dem Fürsten von Befour ausräumt, in feiner Gesellschaft sein.“
„Ah! Ich denke, du bist bei deinen Leuten?“
„Nur bis zu dem Augenblick, an dem ich sicher bin, daß alles klappt. Um Mitternacht gehe ich ins Kasino und bleibe dort bis zwei Minuten vor drei Uhr. Dann bin ich im Garten des Fürsten, und einige Minuten später sitze ich wieder im Kasino. Es handelt sich um das Alibi, welches ich beweisen will, wenn der Fürst ja auf den höchst dummen Gedanken kommen sollte, daß dein heutiger Besuch mit dem Verschwinden seines Eigentums im Zusammenhang stehe.“
„Das ist alles ganz gut, aber –“
Sie schüttelte bedenklich den Kopf.
„Was, aber –“
„Wie nun, wenn deine Leute dir mit den Sachen durchbrennen?“
„Das ist gar keine Möglichkeit! Meine Disziplin und meine eiserne Strenge – und durchbrennen? Es weiß ein jeder, daß ich so etwas unnachsichtlich mit dem Tod bestrafe. Meine Leute werden mir die Millionen bringen, ohne einen Heller davon anzurühren. Und – sagtest du nicht, daß in jedem Kästchen ein Verzeichnis des Inhaltes liege?“
„Ja.“
„Nun, so vergleiche ich diese Verzeichnisse mit dem Inhalt, und dann werde ich wissen, ob etwas veruntreut worden ist. Wir stehen vor einem großen, entscheidenden Wendepunkt. Ich gehe jetzt. Wenn ich zurückkehre, bin ich ein Krösus. Gute Nacht!“
Der Gedanke an die Reichtümer, welche sein Eigentum werden sollten, hatte ihn in eine so gute Laune versetzt, daß er ihr die Hand zum Abschied reichte, was seit langer, langer Zeit nicht mehr vorgekommen war. Er drehte sich sogar, bereits an der Tür angekommen, noch einmal zu ihr um und sagte:
„Du wirst dich natürlich in fieberhafter Aufregung befinden?“
„Das kannst du dir denken!“
„Und nicht schlafen können? Ich begreife das. Aber ich warne dich, dem Personal etwas davon merken zu lassen. Die Tat wird eine furchtbare Revolution hervorbringen, und da kann man nicht vorsichtig genug sein. Lege dich zur gewöhnlichen Zeit zur Ruhe, auch wenn du nicht zu schlafen vermagst!“
Er ging, und nun
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