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60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

Titel: 60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ist?“
    „Ja. Übrigens wird auch meine Cousine gezwungen sein, es einzugestehen. Es hat ja noch gestern eine ganz bedeutende Szene zwischen ihr und Brandt einerseits und ihrem Vater und dem Hauptmann andererseits gegeben.“
    „Auch das ist wichtig. Was wissen Sie von dieser Szene?“
    „Ich war nicht Augenzeuge derselben, traf aber meine Cousine zufällig auf dem Tannenstein. Nach mir ist sie dort von Brandt umarmt und geküßt worden. Sie scheinen einander zu lieben. Sie war aber von seiten des Vaters schon längst dem Hauptmann versprochen. Dieser überraschte die beiden in einem nicht weniger als gleichgültigen Tête-à-tête und stellte Brandt natürlich zur Rede, erhielt aber eine Antwort, welche ihn veranlaßte, an eine Ausgleichung mittels Duells zu denken. Er erzählte mir den Vorgang und bat mich, ihm zu sekundieren. Trotzdem das Liebespaar überrascht worden war, trat es in Gemeinschaft den Weg nach dem Schloß an, stieß aber unterwegs auf meinen Cousin und den Hauptmann. Der Vater des Mädchens stellte Brandt nun ebenfalls zur Rede, erhielt aber nichts als Drohungen zur Antwort. Dies, meine Herren, sind die Gründe, welche mich heute früh veranlaßten, dem Hauptmann zu folgen. Ich fürchtete einen übereilten Ausbruch der Feindseligkeiten zwischen ihm und Brandt.“
    Er hatte in dieser Darstellung seine Cousine Alma keineswegs in ein vorteilhaftes Licht gestellt; dies war mit Fleiß und Überlegung geschehen. Sie hatte ihm gestern auf so maliziöse Weise einen Korb erteilt, und so war er entschlossen, sie nicht im mindesten zu schonen. Der Vorsitzende meinte ernst:
    „Über das, was Sie da erzählen, werden wir die Dame selbst auch zu vernehmen haben. Fahren Sie fort!“
    „Ich wollte nicht zudringlich erscheinen und nur im Falle der Notwendigkeit meine Gegenwart bemerken lassen. Daher verfolgte ich die gleiche Richtung wie der Hauptmann, aber etwas abseits von dem Weg.“
    „Nach welcher Seite?“
    „Nach links.“
    Das war nicht wahr, denn er war den beiden auf der rechten Seite des Wegsaumes gefolgt.
    „Und von welcher Seite fielen dann die Schüsse?“
    „Von der rechten.“
    „Hm! Erzählen Sie weiter!“
    „Ich hörte nach einiger Zeit einen mehr als lebhaften Wortwechsel. Ich erkannte sogleich die Stimmen der beiden Sprecher. Es waren der Hauptmann und Brandt. Eben als ich, hinzueilend, von der linken Seite her aus den Büschen treten wollte, fielen die beiden Schüsse. Brandt hatte sein Gewehr, welches wohl in der Nähe lag, geholt und dem Hauptmann zwei Kugeln in die Brust gejagt.“
    „Sahen Sie es, als Brandt schoß?“
    „Ja, ganz genau.“
    „In welcher Entfernung standen Sie von ¡hm?“
    „Vielleicht zehn Schritt.“
    „Warum versuchten Sie nicht, die Tat zu verhindern?“
    „Das war eine Unmöglichkeit, da sie mit wirklicher Gedankenschnelligkeit geschah.“
    „Was taten Sie dann?“
    „Ich wollte mich auf den Mörder stürzen; aber ich konnte vor Entsetzen keinen Fuß bewegen. Die Kehle war mir wie zugeschnürt, so daß ich auch nicht zu rufen vermochte. In diesem Augenblick kam Cousine Alma dazu.“
    „Wurden Sie von ihr bemerkt?“
    „Nein, denn ich stand nicht auf dem Weg, sondern zwischen den Bäumen.“
    „Was mag sie dort gewollt haben?“
    „Ich vermute, daß sie ein Tête-à-tête mit Brandt gehabt hat und abermals vom Hauptmann überrascht wurde. Die beiden Herren sind arg aneinander geraten; sie hat fliehen wollen, ist aber, als sie die Schüsse hörte, zurückgekehrt, um sich zu überzeugen, wem sie gegolten haben.“
    Während der Protokollant jedes Wort notierte, hatte der Vorsitzende mit größter Aufmerksamkeit zugehört. Er sagte sehr ernst: „Herr Baron, was Sie jetzt erzählt haben, ist von solcher Schwere, daß es den Angeklagten zermalmen kann, ja zermalmen muß. Ich will dennoch meine eingangs gemachte Mahnung nicht wiederholen, sondern Sie nur fragen, was Sie weiter sahen.“
    „Die Wiederholung würde noch unnötiger sein, als die Mahnung an sich selbst schon war! Also ich sah, daß Alma kam. Sie schien sehr erschrocken zu sein, nannte ihn einen Mörder und fiel in Ohnmacht.“
    „Und Sie?“
    „Ich eilte nach der Schlucht, um Beamte herbeizuholen.“
    „Warum ergriffen Sie den Täter nicht sofort?“
    „Soll ich mich etwa mit einem Mörder herumprügeln?“
    „Er hat also gar nicht bemerkt, daß Sie Zeuge der Tat gewesen sind?“
    „Nein.“
    „Er behauptet, wie man mir sagte, nicht der Schütze gewesen zu sein. Wie nun, wenn er

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