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60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

Titel: 60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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welcher sie umfangen hielt.
    „Vater! Mein Vater!“ rief sie.
    Mit einigen raschen Sprüngen stand sie bei ihm. Sie wollte sich zu ihm niederbeugen, aber das Entsetzliche war über sie gekommen wie eine tödliche Kugel, welche den vorwärtsstürmenden Soldaten im Feld trifft und ihn erst einmal um seine eigene Achse dreht, ehe sie ihn niederwirft. Sie taumelte, bewegte sich strauchelnd im Kreis herum und stürzte dann auf den Ermordeten nieder. Sie war abermals ohnmächtig geworden.
    Der vielstimmige Schrei, welcher erschollen war, hatte auch alle übrigen Bewohner des Schlosses herbeigerufen; sie standen am Eingang des Zimmers und richteten ihre entsetzten Blicke auf die blutige Szene. Der Gendarm hatte seine Fassung nur für einen Augenblick verloren. Er wendete sich zu den Leuten um und fragte:
    „Wer unter ihnen hat die persönliche Bedienung der Baronesse?“
    „Die Zofe Ella“, antwortete man ihm.
    „Wo ist sie?“
    „Sie war ja hier! Sie ist – ah, da vorn an der Treppe steht sie!“
    Nämlich Ella hatte, sich schaudernd von der Szene abwendend, den Sohn des Schmiedes bemerkt, welcher in das Schloß gekommen war, um sie zu sprechen. Er hatte sie zu gleicher Zeit gesehen und ihr einen Wink gegeben. Sie war zu ihm geeilt.
    „Was ist's? Was bringst du?“ hatte sie ihn gefragt.
    „Eine schlimme Nachricht. Die Schmuggler sind überfallen worden. Der Brandt-Gustav ist schuld daran. In der Tannenschlucht liegen mehrere von ihnen tot neben den Waren, die nun auch verloren sind.“
    „Herr Gott! Und mein Bruder? Ist er entkommen?“
    „Nein.“
    „Gefangen?“
    „Auch nicht. Nimm es nicht übel, daß ich dir so eine Nachricht bringe.“
    „So ist er wohl gar tot?“
    „Ja. Er liegt erschossen im Wald. Er lag auf dem Weg; ich und der Vater fanden ihn, und da haben wir ihn in dem Dickicht versteckt, damit man nicht erfahren soll, daß er als Schmuggler gestorben ist. An dem allen ist nur dieser Brandt schuld!“
    Sie antwortete nicht. Sie war keine übermäßig zärtlich und empfindsam angelegte Natur, aber der Schreck hatte sie doch ergriffen. Da hörte sie, daß der Gendarm sie zu sich rief.
    „Ja, der Brandt ist schuld!“ raunte sie dem Schmiedesohn zu. „Er soll es büßen. Ich muß fort. Der Baron ist ermordet worden. Sobald ich kann, komme ich zu euch, da sollt ihr mir erzählen.“
    Sie eilte fort, und auch er ging, von der neuen Kunde ganz betroffen. Das war ja ein wahres Morden jetzt in diesem kleinen Helfenstein!
    „Kann der Schlüssel, welcher hier steckt, nicht auch ein anderer sein und hier nur zufällig schließen?“ wurde Ella von dem Gendarm gefragt.
    „Das ist möglich“, antwortete sie. „Aber er ist noch ganz neu. Der vorige war zerbrochen, und der Schmied hat einen neuen machen müssen; er wird ihn kennen. Ah, sein Sohn war soeben hier. Aber er selbst wird auch kommen, da wir zu ihm schickten, um das Schloß öffnen zu lassen.“
    „So wird man es ja erfahren. Ihre Herrin ist ohnmächtig. Schaffen Sie die selbe nach Ihrem Zimmer. Aber nur so viel Personen, als dazu nötig sind, dürfen hier eintreten.“
    Alma wurde fortgeschafft; dann schloß der Gendarm zu. Er wollte sich sofort zu Brandt begeben, um diesen auszufragen; aber er überlegte sich, daß es doch vielleicht geraten sei, diesem noch nichts wissen zu lassen.
    Nach einer Weile stellte sich der Schmied mit seinem Handwerkszeug ein; das letztere war nicht mehr notwendig, aber als der Gendarm ihm den Schlüssel zeigte, rekognoszierte er denselben ganz genau als denjenigen, welchen er vor kurzer Zeit für den Baron gemacht hatte. Der Beamte erklärte ihm, daß er hier zu bleiben habe, um als Zeuge zu dienen.
    Jetzt begannen sich einige Herrschaften einzustellen, welche zur beabsichtigten Jagd geladen waren. Als sie erfuhren, was geschehen war, fuhren sie sofort wieder ab. Aus dem beabsichtigten Vergnügen konnte nichts werden, und ihre Anwesenheit hätte doch nur gestört, ohne ihnen den geringsten Nutzen zu bringen.
    Bald traf auch die gerichtliche Kommission ein, welcher der Bezirksarzt beigegeben war. Der Gendarm machte seine Meldung und brachte dadurch nicht wenig Aufsehen hervor. Die Herren hatten wohl von der Ermordung des Hauptmanns, nichts aber von derjenigen des Barons gewußt.
    Sie verfügten sich sofort in das Zimmer, in welchem die Leiche des letzteren lag. Der Gerichtsarzt untersuchte dieselbe und erklärte, daß der Baron zweifellos durch einen mittels eines sehr scharfen Instruments ausgeführten

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