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60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

Titel: 60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Schnitts durch den Hals ermordet worden sei. Der Mord könne nicht vor aber auch nicht viel nach Mitternacht ausgeführt worden sein.
    Ein Obergendarm war mitgekommen. Er fragte jetzt seinen Untergebenen:
    „Wer hat nach dem Öffnen der Tür hier Zutritt gehabt?“
    „Eine Zofe und zwei Diener, welche die ohnmächtige Baronesse fortzuschaffen hatten.“
    „Auch Sie nicht?“
    „Nein. Ich wollte Ihnen nicht vorgreifen.“
    „Das war richtig gehandelt. Sollte denn nicht etwas zu finden sein, was – ah, was ist das?“
    Im geronnen Blute, aber ein wenig unter dem weit herabhängenden Tischtuch war ein Gegenstand zu bemerken. Er hob ihn auf und hielt ihn den Herren hin.
    „Ein Rasiermesser, meine Herren! Ganz voll Blut. Das Heft besteht aus zwei Elfenbeinplatten und ist mit – alle Wetter! – mit den beiden Buchstaben G.B. gezeichnet. Mir scheint, daß mit diesem Instrumente die Tat vollbracht worden ist.“
    Ein Grauen bemächtigte sich der Anwesenden. Der Amtmann fragte den Gendarmen:
    „Der Schlüssel zu diesem Zimmer hat sich bei Brandt gefunden?“
    „Ja. Und wie ich bemerkt habe, trägt dieser Herr den Vornamen Gustav. Gustav Brandt, das würde G.B. ergeben.“
    Die Herren der Kommission blickten einander betroffen an. War es möglich? Brandt, ein Kollege, den man trotz seiner Jugend so ausgezeichnet hatte, ein Mörder, ja ein Doppelmörder!
    „Meine Herren“, sagte der Amtmann, „es ist hier ein geradezu grauenhaftes Verbrechen verübt worden, ein Verbrechen, welches die schwerste, unnachsichtlichste Ahndung verdient. Der Verdacht richtet sich gegen einen Mann, den zu achten wir gezwungen gewesen sind. Geben wir uns also Mühe, uns nicht von einem bloßen Schein beeinflussen zu lassen, damit unser Forschen nicht durch ein Vorurteil getrübt werde. Suchen wir zunächst alles Wissenswerte von den Zeugen zu erfahren.“
    Sie begaben sich in ein passendes Zimmer, und hier ließ der Amtmann zunächst den Baron Franz von Helfenstein zu sich bitten. Dieser erschien mit der Miene eines Mannes, welcher denjenigen, zu denen er kommt, eine Gnade erweist. Als der Vorsitzende ihn darauf aufmerksam machte, daß in einem Fall wie dem vorliegenden die genaueste Gewissenhaftigkeit erforderlich sei, antwortete er:
    „Diese Bemerkung ist vollständig überflüssig. Ich pflege selbst im kleinsten und unbedeutendsten gewissenhaft zu sein!“
    „Wohl! So sagen Sie uns, Herr Baron, in welchem Verhältnis Sie zu dem Angeklagten gestanden haben!“
    „Wie meinen Sie das? Ein Baron von Helfenstein kann mit einem Mann des bürgerlichen Namens Brandt wohl kein Verhältnis gehabt haben!“
    Der Amtmann fühlte sich unangenehm berührt. Er antwortete also mit einiger Schärfe:
    „Sie gehen von falschen Voraussetzungen aus. Auch ich trage einen bürgerlichen Namen, und doch stehen Sie gegenwärtig in einem Verhältnis zu mir. Oder nennen Sie dies kein Verhältnis, wenn Sie gezwungen sind, meine Fragen zu beantworten? Gustav Brandt wurde von Ihrem Herrn Cousin zur Familie gezogen und reichlich unterstützt. Sie müssen ihn oft gesehen und gesprochen haben; ein gesellschaftliches Verhältnis läßt sich also voraussetzen.“
    „Ich will das zugeben; aber es kann hier ja nur von dem Verhältnis einer vollständigen Gleichwertigkeit die Rede sein.“
    „Das soll heißen, daß Sie einander weder freundlich noch feindlich gesinnt gewesen sind?“
    „So meine ich es; die Verschiedenheit unserer Geburt bringt es ja mit sich, daß eine persönliche Annäherung ausgeschlossen ist.“
    „Ich habe weder die Pflicht noch die Lust und Zeit, mich darüber mit Ihnen in eine Kontroverse einzulassen. Die Sache ist vielmehr die, daß Sie Gustav Brandt des Mordes an dem Hauptmann von Hellenbach beschuldigen. Ist dies an dem?“
    „Ja“, antwortete der Gefragte mit fester Stimme.
    „Was wissen Sie über die Tat?“
    „Ich war Augenzeuge von ihr.“
    „Bitte, erzählen Sie, was Sie gesehen haben!“
    „Ich stand heute nach Tagesanbruch am Fenster und bemerkte, daß meine Cousine das Schloß in der Richtung nach dem Tannengrund zu verließ. Einige Augenblicke darauf folgte ihr der Hauptmann. Ich vermutete den Försterssohn in der Schlucht und beschloß, beiden zu folgen, um einem feindseligen Zusammenstoß vorzubeugen.“
    „Aus welchem Grund vermuteten Sie eine Feindseligkeit?“
    „Der Hauptmann und Brandt waren Nebenbuhler.“
    „Ah! Das ist allerdings von großer Wichtigkeit! Aber können Sie beweisen, daß dies so gewesen

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