Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

Titel: 60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Gedanken geführt hätten?“
    „Nur den einen, daß er von dem Hauptmann provoziert worden war.“
    „Weshalb forderte ihn dieser heraus?“
    Sie errötete leise und fragte:
    „Werden Sie auf eine Beantwortung dieser Frage dringen?“
    „Nein; aber es könnte grad davon Wichtiges abhängen.“
    „So will ich gestehen, daß vielleicht Eifersucht der Grund gewesen sein mag.“
    „Wohl unbegründete?“ fragte der Richter lächelnd.
    „Sicher! Sie müssen nämlich erfahren, daß ohne mein Wissen eine Verheiratung zwischen mir und dem Hauptmann bestimmt gewesen ist. Vater sagte es mir erst gestern früh.“
    „Wußte Brandt davon?“
    „Kein Wort. Wir hatten uns während zweier Jahre nicht gesehen. Gestern war ich nach dem Tannenstein promenieren gegangen, wo ich mit ihm zusammentraf. Während unserer Begrüßung kam der Hauptmann herbei. Er glaubte, ein Recht auf mich und meine Hand zu haben –“
    „Ich darf wohl fragen, ob diese Begrüßung – Sie verstehen mich, gnädiges Fräulein!“
    Sie errötete abermals und antwortete nach einigem Zögern:
    „Brandt ist mein Milchbruder; wir sind uns zugetan wie Geschwister; so war die Begrüßung, inniger keineswegs. Der Hauptmann hatte das Ungeschick, sich meiner bemächtigen zu wollen. Brandt verteidigte mich; es kam zu Worten und Taten, welche eine Forderung als gerechtfertigt erscheinen lassen. Ein Duell hielt ich für möglich, einen Mord aber niemals.“
    „Traf Brandt nicht dann auch mit Ihrem Papa zusammen?“
    „Allerdings. Ich hatte ihn gebeten, mich zu begleiten, um gegen einen etwaigen zweiten Angriff des Hauptmanns geschützt zu sein.“
    „Dieses Zusammentreffen war ein unfreundliches?“
    „Leider. Papa war durch den Hauptmann falsch unterrichtet worden und zeigte sich gegen Brandt höchst unfreundlich, ja, höchst ungerecht.“
    „Und wie verhielt sich der Angeklagte dabei?“
    „Er beherrschte sich ganz und gar. Er sagte, daß er Papa so sehr viel verdanke und daher schweigen wolle.“
    „Meinen Sie, oder meinen Sie es nicht, daß die Unfreundlichkeit oder Ungerechtigkeit des Herrn Barons in Brandt den Vorsatz der Rache, und zwar der Rache durch einen Mord erweckt haben kann?“
    „Nein; das werde ich niemals meinen können. Ich habe Brandt nie einer bösen Tat für fähig gehalten. Ich würde auch jetzt noch auf seine Unschuld schwören, wenn ich nicht das noch rauchende Gewehr in seinen Händen gesehen hätte. Daß er der Mörder des Vaters sei, mag ich noch viel weniger glauben.“
    Bei dieser Ansicht blieb sie. Der Richter brach das Verhör ab. Er bemerkte, wie sehr Alma darunter litt. Ihre Augen erhielten zuletzt einen fieberhaften Glanz, und als der Arzt ihren Puls prüfte, gab er den Herren einen Wink, abzubrechen. Draußen meinte er besorgt:
    „Sie ist schwächer, als sie scheint. Ich glaube, es wird ein schweres Fieber im Anzug sein.“
    Nun wurde Brandt selbst vorgenommen. Er hatte sich unterdessen gefaßt und war imstande, mit ruhiger Überlegung zu antworten. Er erzählte den ganzen Hergang der Wahrheit gemäß. Der Richter schüttelte den Kopf dazu und sagte am Ende:
    „Es ist mir unbegreiflich, daß Sie, anstatt den Täter zu verfolgen, zu dem Ermordeten zurückkehrten. Es läßt sich ja die Möglichkeit denken, daß ein anderer sich Ihres Gewehres bedient habe, um einen Akt der Rache auszuüben; aber wer könnte das sein?“
    „Wer?“ fragte Brand. „Wer anders als Baron Franz!“
    Der Amtmann fühlte sich frappiert. Er fragte:
    „Welchen Grund zur Rache gegen Sie hätte er da wohl?“
    „Die Eifersucht.“
    „Ah! Hm! Wieso?“
    „Als ich gestern die Heimat erreichte, bestieg ich zuerst den Tannenstein. Oben traf ich auf Baronesse Alma, und ihr Cousin stand im Begriff, ihr den Heiratsantrag zu stellen. Sie wies ihn mit Ironie ab; er wollte Gewalt brauchen, sich Liebkosungen erzwingen; da trat ich dazwischen. Vielleicht hält er mich für bevorzugt von dem Fräulein.“
    „So, so! Hm! Sie haben ihn heut am Ort der Tat nicht bemerkt?“
    „Später, als er mit den Beamten kam.“
    „Ihre Unterhaltung mit dem Hauptmann war eine freundschaftliche?“
    „Ja. Er bat mir die gestrige Beleidigung ab und wollte auch dem Baron sagen, daß er mir unrecht getan habe.“
    „Aber, Herr Brandt, wie kommt der Schlüssel in Ihre Tasche?“
    „Auf eine mir unbegreifliche Weise.“
    „Sie kennen ihn?“
    „Nein.“
    „Sind Sie gestern bei Baron Otto von Helfenstein gewesen?“
    „Ja, und zwar sehr spät, nach dem Überfall

Weitere Kostenlose Bücher