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60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

Titel: 60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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stehe.“
    „Sie meinen den geheimnisvollen Hauptmann?“
    „Ja.“
    „Was wissen Sie von ihm?“
    „Nichts weiter, als das man sich vor ihm zu hüten hat.“
    „Nun, da haben Sie recht, und ich sehe, daß ich mit Ihnen auch weiter aufrichtig sein kann. Ich habe ein Billet vom Hauptmann erhalten. Er schreibt, daß der Riese unschuldig sei, daß ich ihn auf die angegebene Weise retten könne und daß ich mit Ihnen sprechen solle.“
    „Mit mir?“ fragte der Schließer erschrocken.
    „Ja. Er nannte mir Ihren Namen.“
    „Kennen Sie ihn denn?“
    „Nicht im geringsten. Aber Sie wissen ja, daß er selbst hochgestellten Herren zuweilen Befehle vorschreibt und im Gegenfalle ihnen mit seiner Rache, wohl gar mit dem Tod droht. Es hat schon mancher, der ebenso wie ich, ein Ehrenmann ist, einen Brief von ihm erhalten und ihm aus Angst gehorchen müssen.“
    „Das ist sehr richtig und wahr.“
    „So schrieb er mir heut, daß ich mit Ihnen sprechen solle, wenn mir mein Leben lieb ist.“
    „Er drohte Ihnen?“
    „Wie Sie hören. Und sodann fuhr er fort, daß Sie ein toter Mann seien, falls Sie nicht auf meinen Vorschlag eingehen würden.“
    „Gott, o Gott!“ rief die Frau angstvoll.
    Auch der Mann hatte sich entfärbt.
    „Ist das wahr, wirklich wahr?“ fragte er.
    „Ja, buchstäblich.“
    „Darf ich den Brief lesen?“
    „Ja. Hier ist er. Sie werden aber sehen, daß er verlangt, der Brief solle sofort vernichtet werden, sobald auch Sie ihn gelesen haben. Wir werden natürlich gehorchen.“
    Der Schließer nahm das Schreiben entgegen, welches der Baron für diesen Fall angefertigt hatte, und las es durch. Als er fertig war, blickte er den Baron ehrfurchtsvoll an und sagte:
    „Wie? Er nennt Sie Erlaucht! Sie sind also ein Graf?“
    „Ja und leider. Es ist soweit gekommen, daß eine Erlaucht einem Verbrecher gehorchen muß, um das Leben zu retten. Und wollen Sie einen weiteren Beweis, so sehen Sie hier meinen Brillantring mit der Grafenkrone.“
    Er zog den Handschuh ab und zeigte den Ring. Die Krone war freilich keine Grafenkrone, aber was verstand der Schließer davon! Dieser warf einen Blick auf den Ring und sagte:
    „Bei Gott, es ist wahr. Aber, Erlaucht, Ihren Namen darf ich wohl nicht auch erfahren?“
    „Warum nicht. Ich bin Graf Holk von Werthenstein. Sie haben vielleicht bereits von mir gehört.“
    „Ja, gewiß. Ich las in der Zeitung von Ihnen. Sie sind Diplomat und erst vor einigen Tagen hier angekommen.“
    „Richtig. Ich bin aufrichtig gegen Sie und hoffe, daß Sie verschwiegen sein werden. Ich muß diesem verteufelten ‚Hauptmann‘ den Willen tun, wie es ein anderer an meiner Stelle ebenso machen würde, wenn er sein Leben erhalten will; aber Sie sehen ein, daß ich verloren wäre, sobald das Geringste darüber verlautete.“
    Das Gesicht des Schließers erheiterte sich. Er sagte:
    „Gnädiger Herr, jetzt wird mir das Herz leicht, denn jetzt sehe ich ein, daß ich Ihnen vertrauen kann.“
    „Sie wollen mir also den Gefallen tun?“
    „Ja.“
    „Den Gefangenen mir Punkt Mitternacht an die Pforte bringen?“
    „Ja.“
    „Und ihn gegen drei Uhr dort wieder in Empfang nehmen?“
    „Ja.“
    „Schön! Das soll zu Ihrem Glück sein. Hier ist das Geld.“
    Er zog, ebenso wie vorhin bei dem Juden, fünf Hunderttalerscheine hervor und gab sie dem Schließer. Dieser griff mit zitternden Händen zu, während seine Frau vor Entzücken die Arme um ihn schlang. Dann fuhr der Baron fort:
    „Die dreitausend Taler gebe ich Ihnen, sobald der Gefangene bei mir ist. Sind Sie einverstanden?“
    „Ja, gnädiger Herr. Gott, wie glücklich bin ich. Alle Angst und Sorge ist nun plötzlich verschwunden.“
    „Ich gönne es Ihnen. Nun aber wird Ihre Zeit abgelaufen sein, und die meinige ist es auch. Ich muß gehen. Also, halten Sie Wort. Gute Nacht, bis wir uns wiedersehen.“
    Er ging, und der Schließer leuchtete ihm die Treppe hinab. Droben im ärmlichen Stübchen herrschte Glück und Freude. Der Baron dachte daran nicht im mindesten. Er überzeugte sich zunächst, ob er nicht beobachtet werde, nahm dann eine Droschke und ließ sich nach einem entlegenen Stadtteil fahren. Dort stieg er aus und schritt durch einige Gassen und Gäßchen weiter, bis er an eine lange Mauer kam. Hier blieb er einige Zeit horchend stehen, und als er sich überzeugt hielt, daß er nicht beobachtet werde, zog er sein Messer hervor, öffnete es und steckte die Klinge in eine zwischen zwei Mauersteinen befindliche Ritze.
    Der

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