Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

Titel: 60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
mehrere Wachsabdrücke und Schlüssel, welche dieser sorgfältig prüfte und miteinander verglich.
    „Sie werden passen“, sagte er dann. „Der Riese wird heute mitarbeiten.“
    Die Vermummten sagten nichts, aber sie erhoben ihre Köpfe mit einem so raschen Ruck, daß leicht zu bemerken war, wie groß ihr Erstaunen darüber sei, daß ein Kamerad mit ihnen arbeiten solle, den sie in festem Gewahrsam wußten. Der Hauptmann wendete sich wieder an den ersten, welcher eine Art Faktotum, Unterbefehlshaber, oder ähnliches zu sein schien.
    „Hast du Stoff zu einem roten Mal bei dir?“
    „Natürlich! Man muß derartiges stets mit sich führen.“
    „Gut! Punkt zwölf Uhr trefft ihr euch unter den Bäumen gegenüber der Frohnveste. Ich werde mit dem Riesen zu euch stoßen, und du machst ihm ein großes Mal auf die rechte Wange. Nach vollendeter Arbeit bringt ihr ihn wieder mit. Er geht dann in seine Zelle zurück.“
    Es entstand eine wortlose Pause des Erstaunens, welche dann der bereits Erwähnte unterbrach:
    „Darf ich fragen, Hauptmann, warum er wieder zurück soll?“
    „Um freigesprochen zu werden.“
    „Wie ist das möglich?“
    „Der alte Salomon Levi wird sagen, daß derjenige, welcher ihm die Uhren verkaufen wollte, ein Feuermal auf der rechten Wange gehabt habe, sonst aber dem Riesen sprechend ähnlich sei. Er hat sich auf das Mal erst jetzt besonnen. Der Riese wird sich heut der Zofe der Baronesse unvermummt zeigen. Sie wird ihre Aussage tun, und da der Gefangene in der Veste sicher steckt, so wird man sich zu der Annahme bequemen müssen, daß er ein Ebenbild habe, an dessen Stelle man ihn unschuldig eingezogen hat. Unser Advokat wird seine Sache machen.“
    „Donnerwetter! Das ist fein erdacht! Und nun, wie steht es mit der Baronesse, Hauptmann?“
    „Zwischen zwölf und eins kommt ihr dort an. Die Schlüssel hier nehmt ihr mit. Sie schließen das Haustor, die Tür des Vorsaals und auch die anderen Eingänge. Sobald ihr kein Licht mehr bemerkt, geht ihr an die Arbeit.“
    „Die Zofe schläft im Nebenzimmer?“
    „Ja.“
    „Ihr dürfen wir nichts zuleid tun?“
    „Schont ihre Gesundheit und ihr Leben; sonst aber gehört sie euch, jedoch keinen Augenblick eher, als bis ihr mit der Baronesse fertig sei. Diese aber ist ganz und gar euer Eigentum. Nur stelle ich die Bedingung, daß sie nicht leben bleibt. Ihr habt übrigens bereits gestern das nähere gehört. Morgen treffen wir uns hier wieder. Ihr könnt gehen!“
    Sie entfernten sich, leise miteinander flüsternd.
    Jetzt befand sich der Hauptmann nur noch allein im Gewölbe. Vorn vom Eingang her erscholl ein halblautes:
    „Alles in Ordnung. Gute Nacht!“
    Dann hörte man die Tür verschließen. Der Baron stieg vom Katheder herab und löschte die Lampe aus. Nun herrschte tiefes Dunkel, und er kehrte auf demselben Weg, den er gekommen war, durch den Garten zurück. Er kam auf ganz dieselbe Weise über die Mauer hinüber, legte die Eisen in das Loch, schob den Stein hinein und entfernte sich dann. Natürlich hatte er die Maske wieder abgenommen.

VIERTES KAPITEL
    Eine Botschaft aus Indien
    Unter einer Laterne zog er die Uhr und bemerkte, daß er sich nicht zu beeilen brauchte. Er beschloß, sein Kasino aufzusuchen, um ein Glas Wein zu trinken. Die Kellner dort hatten ihn in keiner anderen Kleidung als der gegenwärtigen gesehen und wußten auch gar nicht, wer er eigentlich sei. Er pflegte ein bestimmtes kleines Kabinett aufzusuchen, in welchem er noch von niemand gestört worden war, vielleicht infolge des reichlichen Trinkgeldes, welches er zu geben pflegte.
    Er verdoppelte nun seine Schritte und kam nach einiger Zeit an den Platz, auf welchen die Wasserstraße mündete. Im Begriff, über denselben hinüber zu schreiten, bemerkte er vor sich eine weibliche Gestalt, welche, sich bückend, etwas vom Boden aufzulesen schien. Er mußte an ihr vorüber.
    Als sie ihn bemerkte, wollte sie ihm rasch aus dem Weg gehen, aber er war ihr bereits zu nahe gekommen und vertrat ihr den Weg. Er fühlte Lust zu einem kleinen Abenteuer, und da ein Blick in ihr Gesicht ihm sagte, daß er es keineswegs mit einer alten und häßlichen Person zu tun habe, so entschloß er sich, die Gelegenheit dazu hier zu ergreifen.
    Daß in ganz unmittelbarer Nähe hinter der Bude ein Beobachter stand, davon hatte er keine Ahnung. Dieser verborgene Lauscher war natürlich kein anderer als der Fürst von Befour.
    Als das Mädchen erkannte, daß es ihr unmöglich sei, sich noch

Weitere Kostenlose Bücher