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60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

Titel: 60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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strahlt. Ich bin sein eigen; denn ich denke nur an ihn; ich könnte alles, selbst mein Leben für ihn lassen!“
    „Und wenn er häßlich ist?“
    „Kann ein solcher Dichter häßlich sein? Was geht mich sein Gesicht, seine Gestalt, sein Gang, seine Haltung an? Ich sitze vor ihm, nein, ich liege vor ihm, um mich in seinem Geist zu sonnen und aus seiner Seele Glück, Glück, tausendfaches Glück zu saugen!“
    „Er ist Hadschi, also ein Mohammedaner.“
    „Er sucht Gott und liebt ihn; ich suche den Dichter und liebe ihn. Wir sind eins in einem und demselben Streben.“
    „Oder ist sein Name ein Pseudonym? Dann könnte er gar ein Christ sein!“
    „Und dennoch bleibt er mein Ideal.“
    „Und wenn du recht hättest, daß er in Armut und Elend lebte, daß ihn das Gespenst des Hungers gefangen hielt?“
    „Wüßte ich, wo er wäre, so würde ich gehen, ihn zu befreien, meilen-, meilen-, meilenweit! Und wäre er so elend, daß kein Mensch ihn anblicken möchte, er würde doch mein Glück, mein Stolz, meine Wonne sein! Ich kenne seine Gestalt nicht; aber ich kenne seinen Geist, sein Herz, seine Seele, sein Gemüt! Er hat es mir angetan! Meine Sehnsucht wird ruhelos und ungestillt um ihn wandeln, wie die kleine, arme Erde um die glänzende, glutenstrahlende Sonne wandelt!“
    Sie trat an das Fenster und legte ihre heiße Stirn, um sie zu kühlen, an die kalte Glasscheibe. Was dachte sie? Wohin flogen ihre Wünsche? Hätte sie gewußt, wie nahe, wie so sehr nahe der war, an den sie dachte! –
    Als der Baron vorhin die Tür hatte hinter sich schließen hören, war er erst ein Stück nach links gegangen, dann aber plötzlich umgekehrt, um zu sehen, ob er beobachtet werde. Da dies nicht der Fall war, ging er nacht rechts zu weiter.
    Er schien hier auf der Wasserstraße sehr gut orientiert zu sein, denn an einem kleinen Häuschen angekommen, trat er in den dunklen Flur und tappte sich, ohne Licht zu haben, ganz leidlich die Treppe hinauf. Oben schien ihm eine weinende Frauenstimme als Leiterin zu dienen. Er fand eine Türe und klopfte an. Man schien erstaunt aufzuhorchen. Er klopfte abermals.
    „Herein!“ hörte er rufen.
    Er öffnete und trat ein. Er sah ein ärmliches Zimmerchen vor sich. Sauber und rein war es; aber es gab da nur einen Tisch, keinen Stuhl, kein anderes Möbel als zwei Betten, welche man durch eine offenstehende Tür in der Schlafkammer stehen sah.
    Auf der Diele saßen zwei Knaben, welche sehr trübe Gesichter zeigten; am Fenster stand eine Frau, die Augen voller Tränen, und vor dem Tisch lehnte ein noch junger Mann, welcher sich Mühe gab, einen Teller magerer Brotsuppe für sich allein zu behalten, ohne ihn mit den Seinigen zu teilen.
    Die Frau war diejenige, welche vorhin bei dem Juden Salomon Levi gewesen war. Als sie den Baron erblickte, errötete sie. Sie mochte ihn erkennen, wenn auch nicht an den Zügen, da er im Schatten gesessen hatte, so doch an dem Anzug, welchen er trug.
    Er grüßte höflich, bat um Entschuldigung, daß er störe, und fragte dann die weinende Frau:
    „Kennen Sie mich, liebe Frau?“
    Sie wendete sich bald ab, ohne zu antworten. Er fuhr fort:
    „Ich war bei Salomon Levi, wo ich etwas über Ihre Lage erfuhr. Schämen Sie sich nicht. Ich komme, Ihnen zu helfen.“
    Die beiden Leute fühlten sich wie elektrisiert. Der Mann legte rasch den Löffel fort, und die Frau griff nach der Schürze, um ihre Tränen zu trocknen.
    „Die Kinder brauchen nicht zu hören, was wir sprechen“, sagte der Baron. „Tragen Sie dieselben hinaus auf die Betten und hören Sie dann, was ich Ihnen zu sagen habe.“
    Er hatte auch hier gleich von seinem Eintritt an eine solche Stellung eingenommen, daß er sich möglichst im Schatten befand. Die Frau gehorchte ihm und kehrte dann mit einem Gesichtsausdruck zurück, in welchem die hoffnungsvollste Wißbegierde zu lesen war. Sie und ihr Mann, welcher noch kein Wort gesprochen hatte, warteten, was der rätselhafte Fremde ihnen nun mitteilen werde. Dieser fragte, sich wieder an die Frau wendend:
    „Ich wiederhole meine Frage, ob Sie mich wieder erkennen?“
    Sie nickte mit dem Kopf.
    „Sie wollten bei dem Juden diesen Tisch und die beiden Betten, welche sich im Nebenzimmer befinden, versetzen?“
    Sie errötete abermals vor Scham und blickte, ohne zu antworten, ihren Mann an. Dieser nahm das Wort:
    „Warum fragen Sie?“
    „Weil ich die größte Teilnahme für Sie empfinde.“
    „Wer sind Sie?“
    „Vielleicht werde ich Ihnen dies nachher

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