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60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

Titel: 60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sagen. Haben Sie nur vorher die Güte, mir mitzuteilen, warum Sie sich nicht an andere Leute als an diesen Juden wenden?“
    „Ich habe keinen anderen Menschen.“
    „Was brachte Sie in die traurige Lage, all Ihr Eigentum auf die Leihbank zu tragen?“
    „Die Not.“
    „Und was brachte Sie in diese Not?“
    Der Mann schien über diese zudringliche Frage unwillig zu werden. Er antwortete:
    „Herr, Sie sprechen Fragen aus, welche man nur einem sehr vertrauten Freund zu beantworten pflegt!“
    „Das ist wahr; aber ich möchte gern haben, daß Sie auch zu mir Vertrauen fassen. Ich habe Ihnen ja bereits gesagt, daß ich bereit bin, Ihnen zu helfen.“
    „Das kann ich kaum glauben. Wir sind einander vollständig fremd, und unter Fremden pflegt man gewöhnlich keinen Helfer zu suchen, wenn man ihn bereits unter Bekannten nicht gefunden hat. Übrigens kann ich Ihnen wohl sagen, daß ich durch einen solchen Bekannten in meine gegenwärtige Not gestürzt worden bin.“
    „Wieso?“
    „Erlauben Sie, daß ich darüber schweige!“
    „Ah, Sie haben ein reges Ehrgefühl! Das freut mich, denn es überzeugt mich, daß Sie der Hilfe würdig sind. Der Bekannte hat Sie gebeten, ihm neunzig Taler zu borgen?“
    „Herr, woher wissen Sie das?“
    „Ich habe es erfahren.“
    „Ich habe zu niemand davon gesprochen, und er hat ebenso alle Veranlassung, darüber zu schweigen!“
    „Die Quelle, aus welcher ich geschöpft habe, ist hier gleichgültig. Sie haben sich bereden lassen, ihm das Geld zu geben.“
    „Leider!“
    „Sie hatten aber selbst kein Geld. Sie haben Ihrem Freund zuliebe eine Anleihe gemacht. Ist es nicht so?“
    „Allerdings“, antwortete der Gefragte, einigermaßen verlegen.
    „Darf ich fragen, bei wem Sie diese Anleihe gemacht haben?“
    „Bei einem Dritten.“
    „Wer ist dieser Dritte?“
    „Herr –!“
    „Schon gut! Ich kenne ihn. Sie sind Mitglied eines Militärvereins; Sie sind sogar Kassierer desselben. Sie nahmen die neunzig Taler aus der Kasse, welche Ihnen anvertraut war?“
    „Herr, wer sind Sie?“ fragte der Mann erbleichend.
    Auch seine Frau erschrak. Wie war der Fremde in den Besitz ihres Geheimnisses gekommen? Sie mußte sich alle Mühe geben, ein neu ausbrechendes Schluchzen zu unterdrücken.
    „Sie erfahren schon noch, wer ich bin“, antwortete der Baron. „Der Freund verschwand mit dem Geld. Er ließ sich nicht wieder sehen. Sie hatten Kassenabschluß. Sie schickten alles Entbehrliche zum Pfandleiher; die Summe, welche Sie erhielten, reicht bei weitem nicht aus. Man ahnt den Stand der Dinge; man hat dem Staatsanwalt Anzeige gemacht. Morgen früh wird man kommen, um die Kasse zu revidieren. Ist sie nicht in Ordnung, so werden sie arretiert. Was das heißt, wissen Sie am besten, da sie ja Schließer eines Gefängnisses sind. Ist es so?“
    Die Frau schluchzte jetzt laut. Der Mann antwortete:
    „Es ist so. Es ist mir unbegreiflich, wie Sie das alles so genau wissen können, außer –“, er stockte, warf einen außerordentlich schreckvollen Blick auf den Fremden und fuhr dann fort: „– außer Sie selbst müßten der gefürchtete Staatsanwalt sein!“
    „Beantworten wir diese Frage jetzt noch nicht. Sagen Sie mir lieber, ob Sie noch irgendeinen Weg zur Rettung ausfindig machen können.“
    „Ich weiß keinen außer dem einen, daß ich morgen früh eine Leiche sein werde!“
    „Pfui! Retten Sie dadurch sich? Retten Sie dadurch Ihre Familie? Ich hörte zufälligerweise etwas über Ihre Lage; ich entschloß mich, Ihnen zu helfen, gestehe aber dabei allerdings aufrichtig, daß meine Absicht eine nicht ganz uneigennützige ist.“
    Das Gesicht des Mannes hatte bisher einen schlimmen Ausdruck angenommen; jetzt aber leuchtete sein Auge einigermaßen freudig auf. Er antwortete rasch: „Mein Gott, ich will ja alles, alles tun, wenn ich nur gerettet werden kann!“
    „Nun gut! Wieviel brauchen Sie?“
    „Rund hundert Taler.“
    „Ich denke, daß es nur neunzig waren!“
    „Ich habe meine Sachen einzulösen und an den Juden zehn Taler zu entrichten.“
    „Nun, zehn Taler machen hier nichts aus. Es würde mir sogar auf hundert oder einige Hundert nicht ankommen, die ich Ihnen mehr gebe, falls Sie nur bereit sind, mir den Gefallen zu tun, welchen ich von Ihnen fordern möchte.“
    „Ich wiederhole, daß ich zu allem bereit bin, wenn ich nur dadurch nicht in eine neue Gefahr komme.“
    „Gefahr ist nicht dabei, wenn es auch sein mag, daß Sie nicht ganz genau nach Ihren Pflichten

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