600 Stunden aus Edwards Leben
Internetsuchmaschine eingibt, erhält man Links zu Webseiten und Abbildungen, die einen aufklären und erschrecken.
Ich erfahre, dass wir uns im Hinblick auf das Beseitigen unserer Toten noch nicht sehr weit von den Neandertalern entfernt haben. Auch sie haben die Verstorbenen beerdigt, und obwohl Neandertaler ungehobelte Leute waren, taten sie dies nicht ohne Sorgfalt. Die Toten wurden behutsam in Löcher gelegt, manchmal in Fötushaltung, als wollte man sie in einen kindlichen Zustand zurückversetzen, und manchmal auf dem Rücken liegend, um ihnen vielleicht eine sichere, bequeme Reise dorthin zu ermöglichen, wohin auch immer die Neandertaler dachten, dass ihre Toten gehen würden. Was nach dem Tod mit uns geschieht, ist mehr, als mein Tatsachen liebender Geist sich vorstellen möchte.
Als das Land, in dem ich jetzt lebe, noch den Indianern gehörte, wurde ein Toter oft im Freien belassen, damit die Vögel und Aasfresser sich daran satt essen konnten. Die Absaroke legten ihre Toten in Bäume oder auf Gerüste und kehrten später zurück, um die Knochen für das Begräbnis einzusammeln. Wenn man an die Kultur der Indianer denkt, ergibt das Sinn. Die Stämme waren und sindgroßartige Bewahrer des Landes und der Tiere, die darin leben. Sie nutzten jeden einzelnen Teil eines Büffels und jagten die Tiere voller Respekt. Da leuchtet es ein, dass sie ihre Leichen nicht verwesen ließen, ohne die Natur damit zu versorgen. Ich stelle fest, dass mir der Ansatz der Absarokes gut gefällt.
Die Ägypter konservierten ihre Toten. Die Römer und die Griechen verbrannten sie – eine Praxis, die hier in Amerika erst ab dem neunzehnten Jahrhundert eingeführt wurde. Heutzutage wird eine Feuerbestattung als umweltfreundlicher Weg betrachtet, Tote zu beseitigen – besser, als wenn sie Platz auf einem Friedhof beanspruchen. Ich kann nur vermuten, was mein Vater zu dieser Einstellung gesagt hätte – er verabscheute Umweltschützer.
Ich erfahre auch Dinge über den Tod, die ich gar nicht wissen wollte. Ich lese von einem Mann namens Budd Dwyer, der Politiker war wie mein Vater. Budd Dwyer wurde in Pennsylvania zu Unrecht wegen Bestechung und Betrugs verurteilt. Im Januar 1987, einen Tag vor der Strafmaßverkündung (ihm drohten bis zu fünfundfünfzig Jahren Haft), berief er eine Pressekonferenz ein, hielt eine kurze Ansprache und erschoss sich dann vor laufenden Kameras. Ich habe das Ganze als Video gesehen. Ich wünschte, ich hätte es nicht getan.
Heute später am Tag werden wir uns von meinem Vater verabschieden und darum bitten, dass er in Frieden ruhen möge. Ich hoffe, er tut es. Ich weiß nicht, wie das Leben nach dem Tod aussieht oder ob es überhaupt eins gibt – das ist eine Frage, über die ich nicht lange nachdenke, da sie meine Vorliebe für Tatsachen auf die Probe stellt wie sonst nichts auf der Welt. Wenn es ein Leben nach dem Tod gibt, hoffe ich, dass Budd Dwyer, der im Leben so schlecht behandelt wurde, es gut hat und er nett zu meinem Vater ist. Sie waren beide Republikaner. Sie sollten gut miteinander auskommen.
Mein Vater war kein religiöser Mensch, sah es jedoch als politisch wertvoll an, in die Kirche zu gehen. Wenn man in Billings zur richtigenKirche gehört – oder irgendwo anders, wie ich vermute, aber das kann ich nicht mit Sicherheit sagen, da ich nicht irgendwo anders lebe –, kann man so manchen geschäftlichen Deal abschließen, während man das Wort Gottes hört.
In Billings entschied sich mein Vater für die Freikirche »First Congregational«. Vater sagte immer, das Beste an der »First Church«, wie sie auch genannt wird, sei die große Verschiedenheit ihrer Mitglieder. Trotzdem war es für mich, schon als ich noch klein war, nicht schwer zu erkennen, dass die einzigen Leute, mit denen er dort redete, die sechs oder sieben Bauunternehmer waren, die auch zu der Kirche gehörten – alles weiße, reiche Männer im mittleren Alter.
Doch worin auch immer die Ursache dieser langjährigen Verbundenheit zur Kirche liegt – sie ist der Grund, warum heute um 14:05 Uhr Reverend Heron James von der First Congregational vortritt, um die Grabrede zu halten.
»Herzlich willkommen, liebe Freunde. Wir sind heute hier versammelt, um uns von einem bedeutenden Mann in der Geschichte von Billings zu verabschieden, einem Mann, der dieser Stadt und den Menschen, die er liebte, zu mehr Wohlstand verholfen hat …«
Meine Mutter und ich sitzen nebeneinander vor dem verschlossenen Sarg
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