600 Stunden aus Edwards Leben
Steinfußboden bohren und darin verschwinden.
»Mutter …«, protestiere ich.
»Nur ein paar Worte, mein Schatz.«
Ich trete aus der Menge. Ich höre mein Herz pochen, als wäre es in meinem Schädel. Und dann bin ich selbst überrascht, als ich Worte aus meinem Mund kommen höre.
»Ich … mir fällt keine lustige Geschichte über meinen Vater ein.«
Alle sehen mich an.
»Ich habe gern Spiele der Dallas Cowboys mit ihm gesehen.«
Jetzt wird vereinzelt gelacht, und jemand sagt amüsiert: »Ted? Hat sich die Cowboys angesehen? Niemals!«
»Ich kann nicht gut vor Leuten sprechen«, fahre ich fort. »Wenn ich an meinen Vater denke, seit er tot ist, fällt mir immer der Text eines Liedes ein, das ich sehr gern mag. Es ist von Matthew Sweet.«
Ich sehe fragende Blicke in den Gesichtern vor mir.
Ich rezitiere den Text von »Life Without You«. Es ist ein Song über Verlust und Hilflosigkeit, und so fühle ich mich, wenn ich an meinen Vater denke. Ich spreche die Worte schnell, weil ich kein guter Redner bin und mich unwohl fühle. Als ich beim Sprechen aufblicke, sehe ich, dass die Leute mich komisch anstarren. Das gefällt mir nicht, also halte ich danach den Kopf gesenkt.
Als ich fertig bin, herrscht Schweigen. Vielleicht hätte ich mich mehr anstrengen sollen, eine lustige Geschichte zu erzählen. Der Gouverneur sieht mich an, als wäre ich ein Irrer. Und die Schultern meiner Mutter zucken auf und ab, während sie versucht, ihr Weinen zu unterdrücken.
Eines hat der Tod meines Vaters nicht geändert: Ich bin immer noch froh, sein Haus zu verlassen und in meines zurückzukehren. Ich beschloss zu gehen, nachdem Dave Akers sich vor Rolf Eklund, den Landratskollegen meines Vaters, stellte und ihm während ihres Streitgesprächs mit dem Finger in die Brust piekte. Nachdem der kleine Zwist beigelegt war und meine Mutter angestrengt versuchte, so zu tun, als wäre die Stimmung nicht getrübt worden, beschloss ich, dass ich gehen sollte.
Also tat ich es.
Um 22:00 Uhr lege ich die heutige Folge
Polizeibericht
ein. Es ist die zwölfte Episode der ersten Staffel in Farbe mit dem Titel »Fahrerflucht« und eine meiner Lieblingsfolgen.
In dieser Folge, die zum ersten Mal am 6. April 1967 ausgestrahlt wurde, spüren Sergeant Joe Friday und Officer Bill Gannoneinen Geschäftsmann namens Clayton Fillmore auf (gespielt von Robert Clarke), der eine alte Frau und einen alten Mann auf einem Zebrastreifen überfahren und getötet hat. Als die Polizisten ihn am nächsten Tag finden, nehmen sie an, dass er betrunken war, aber sie können es ihm nicht nachweisen. Clayton Fillmore ist ein rücksichtsloser Mann – es ist ihm egal, dass die alten Leute tot sind, und seine Frau ist auch gerade dabei, ihn zu verlassen, weil er sie nicht gut behandelt. Aber irgendwie kommt er mit einer Bewährungsstrafe davon.
Bald jedoch fährt er wieder betrunken Auto und verursacht einen weiteren schlimmen Unfall. Dabei tötet er zwei junge Mädchen und verletzt ein Pärchen schwer. Seine Frau, die beschlossen hatte, doch bei ihm zu bleiben, wird ebenfalls verletzt, und Clayton Fillmore verliert beide Beine.
Ich denke, es geht dort um etwas wie Karma, obwohl Karma schwer nachzuweisen ist. Wie Sergeant Joe Friday bevorzuge ich Tatsachen.
Nach
Polizeibericht
bereite ich einen neuen Aktenordner vor.
Gott,
ich muss gestehen, es fühlt sich komisch an, etwas oder jemandem zu schreiben, von dem ich nicht weiß, ob es oder er existiert. Ich will nicht respektlos erscheinen. Ich glaube an die Wissenschaft, ich glaube an Dinge, die ich sehen kann, ich glaube an Dinge, die man empirisch nachweisen kann. Das jüdisch-christliche Bild von Gott – oder auch das muslimische, buddhistische oder taoistische – gehört nicht zu den Dingen, die auf solche Weise nachgewiesen werden können. Ich hoffe, Du verstehst mein diesbezügliches Zögern – angenommen, Du existierst, um es zu verstehen. Ich mag keine Annahmen. Ich bevorzuge Tatsachen.
Trotz alledem würde es mir einigen Trost verschaffen zu glauben, dass Du existierst, vor allem in dieser für mich und meine Mutter schwierigen Zeit. Ich hoffe sogar, dass Du existierst. Auch wenn Hoffnung so unbegreiflich ist wie Glaube, habe ich doch nichts dagegen einzuwenden. Hoffnung gibt mir Trost. Also, dies ist meine Hoffnung: dass Du Dich gut um meinen Vater kümmerst. Dass Du ihn wissen lässt, dass ich mich sehr bemühe, ihm zu vergeben, auch wenn ich ihn nicht glorifizieren werde, wie meine
Weitere Kostenlose Bücher