Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
600 Stunden aus Edwards Leben

600 Stunden aus Edwards Leben

Titel: 600 Stunden aus Edwards Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Lancaster
Vom Netzwerk:
einzige Möglichkeit für ihn, es mit mir in einem Raum auszuhalten, war, wenn wir zusammen Football guckten.«
    »Das ist nicht wahr. Es ist schrecklich, dass du so etwas über deinen Vater sagst.«
    »Doch! Es ist wahr!«
    Meine Mutter antwortet mit zitternder Stimme und Tränen in den Augen: »Ich weiß nicht, warum du dich nicht an etwas erinnern kannst, das für mich weniger schmerzhaft ist – etwas aus späterer Zeit, als er ein guter Mann war und mich nicht mehr betrogen hat. Warum kannst du dich nicht an all die guten Sachen erinnern, die er hier gemacht hat, an Dinge, die er erreicht hat und für die er geehrt wurde?«
    »Weil ich nie ein Teil davon war. Wer von euren jetzigen Freunden kennt mich? Niemand. An wie vielen dieser Ehrendiners war ich beteiligt? An keinem einzigen. An was davon soll ich mich erinnern?«
    »Edward! Du redest, als würden wir uns für dich schämen.«
    »Aber das tut ihr doch, oder?«
    »Nein.« Sie klingt entrüstet.
    »Wen habt ihr denn in einem Haus in der Clark Avenue versteckt? Wer wird nur einmal im Monat hierher eingeladen – zu einem Essen, das eigentlich keiner will? Wer bekommt Briefe von einem Anwalt, wenn der eigene Vater ihm etwas mitzuteilen hat?«
    Es ärgert mich umso mehr, dass meine Mutter so tut, als wären diese Dinge nicht geschehen.
    »Wovon sprichst du? Ich habe dich immer geliebt, immer«, sagt sie. »Du bist doch verrückt.«
    »Nein, Mutter, ich bin in meiner emotionalen und sozialen Entwicklung beeinträchtigt. Das bedeutet nicht, dass ich verrückt bin.«
    Ich stehe vom Sofa auf und gehe zur Eingangstür, dann drehe ich mich um.
    »Du kannst hier gern herumsitzen und Vater als Gott und Helden glorifzieren, Mutter. Ich werde das nicht tun.«
    Ich öffne die Tür, gehe hindurch und schlage sie hinter mir zu.
    Auf der Schwelle bleibe ich stehen, um Luft zu holen. Ich höre, wie meine Mutter auf der anderen Seite der Tür weint.

    Donna Middleton sitzt vor dem Haus an der Clark Street auf der Verandatreppe. Ich biege in die Auffahrt, ziehe die Bremse, schalte den Motor ab und steige aus.
    »Edward, ich habe die Nachricht über Ihren Vater gehört. Es tut mir ganz schrecklich leid.« Sie kommt über den Rasen auf mich zu, und als sie bei mir ist, legt sie mir ihre Hände auf die Wangen. Ihre Hände sind warm.
    »Ich kann nicht mit Ihnen sprechen«, sage ich.
    »Es ist schwer, und ich weiß, dass Ihre Familie eine schlimme Zeit durchmacht, aber ich wollte nur …«
    Ich fasse ihre Hände und ziehe sie von meinem Gesicht weg. »Ich kann nicht mit Ihnen sprechen.«
    Ich schiebe mich an ihr vorbei zur Tür und verschwinde im Haus. Im Haus meines Vaters. Mein Vater ist tot. Ich weiß nicht, wessen Haus es nun ist.

    Um 14:01 Uhr klingelt das Telefon.
    »Hallo?«
    »Edward, hier ist Ruth Buckley.«
    »Ja.«
    »Ich habe heute in der Zeitung von Ihrem Vater gelesen. Es tut mir sehr leid.«
    »Ja.«
    »Wie kommen Sie zurecht?«
    »Ganz gut, denke ich.«
    »Soll ich heute eine extra Zeit für Sie reservieren? Wenn Sie das brauchen, kann ich das gern tun.«
    »Ich denke, ich komme klar.«
    »Sind Sie sicher?«
    »Ja.«
    »Edward, es kann schwierig sein, sich mit dem Tod auseinanderzusetzen. Wenn Sie reden möchten, zu welcher Zeit auch immer, können Sie mich anrufen. Haben Sie alle meine Telefonnummern?«
    »Ja.«
    »Edward, sind Sie sicher, dass Sie zurechtkommen?«
    »Ja. Ich kenne die Phasen der Trauer.«
    »In welcher, denken Sie, befinden Sie sich jetzt?«
    »Ich leugne es nicht. Es ist passiert. Das weiß ich. Es stand in der Zeitung. Allein und isoliert bin ich fast immer. Ich bin nicht wütend, nur ein bisschen auf meine Mutter, weil sie meinen Vater glorifiziert …«
    »Das tun viele direkt nach dem Tod eines geliebten Menschen.«
    »Ja. Ich verhandle nicht. Ich denke nicht, dass ich deprimiert bin. Ich habe es noch nicht akzeptiert. Ich denke, ich würde sagen, dass ich mich damit auseinandersetze.«
    »Okay. Das ist gut.«
    »Ja.«
    »Rufen Sie mich an, wenn Sie irgendetwas brauchen. Und damit meine ich wirklich alles.«
    »Das werde ich.«
    »Auf Wiederhören, Edward. Ich sehe Sie spätestens am Dienstag.«
    »Auf Wiederhören, Dr. Buckley.«

    Um 18:17 Uhr, während ich das Geschirr von meinem Spaghetti-Essen abräume, klingelt das Telefon erneut.
    »Hallo?«
    »Edward.«
    »Hallo, Mutter.«
    »Edward, ich möchte mich entschuldigen, dass ich dich angeschrien habe.«
    »Okay.«
    »Ich fühle mich manchmal so verrückt. Das kann doch alles nicht

Weitere Kostenlose Bücher