Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig

61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig

Titel: 61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Nase aufwärts. Ich möchte nicht bei ihm borgen. Und wie steht es denn mit der Nahrung bei euch? Was habt ihr heute mittag gegessen?“
    „Kartoffeln.“
    „Und was dazu?“
    „Salz. Die Mutter hat es über dem Feuer gebräunt.“
    „Ah, kenne das! Es muß einen schärferen Geschmack bekommen, damit man die seifigen, ungesunden Kartoffeln hinunterbringt. So ist die Nahrung unserer armen, braven Bevölkerung beschaffen. Kein Wunder, daß dann die Haut um die Knochen schlingert und das Blut eine Schärfe erhält, welche am Leben frißt! Und heute abend? Was habt ihr da auf dem Tisch?“
    „Nichts. Die Mutter wollte nachsehen, ob noch einige Kartoffeln vorhanden seien.“
    „O weh! Da hat der Magen schon zu Fastnacht Osterferien! Ist das ein Elend! Wer ist Schuld daran? Die Regierung etwa? Die tut alles, was sie tun kann. Aber die Blutsauger, die Vambeeren oder Vampire oder wie sie heißen, die sind Schuld daran! In unserer Gegend sollte es auch einen solchen Fürsten des Elends geben wie in der Residenz!“
    „Einen Fürsten des Elends? Was ist das?“
    „Wie? Du hast noch nichts von diesem Prachtkerl gehört?“
    „Kein Wort!“
    „Hm, ja! Ihr schindet euch von morgens bis abends und oft auch wieder von abends bis frühmorgens mit eurer Arbeit und habt keinen Augenblick Zeit, euch um das zu kümmern, was draußen vorgeht. In der Residenz ist nämlich eine geheimnisvolle Person aufgetaucht, welche überall da zum Vorschein kommt, wo ein armes Menschenkind mit Not und Sorge ringt. Diese Person bringt dem Unglücklichen Hilfe und verschwindet dann wieder. Kein Mensch weiß, wer der Mann ist. Er scheint allwissend und allgegenwärtig zu sein. Wer den Namen ‚Fürst des Elends‘ aufgebracht hat, das kann niemand sagen, aber bezeichnend ist er ganz und gar. So einen Engel sollten wir hier haben! Na, ich sehe, du zitterst vor Frost. Das ist kein Wunder: Nichts auf dem Leib und nichts im Magen. Komm, Bursche! Wenn wir wacker durch den Schnee stapfen, wird's dir wärmer werden.“
    Er schickte sich an, weiterzugehen, aber nicht in der Richtung des Städtchens, sondern in derjenigen, welche nach dem Forsthaus führte. Deshalb sagte Eduard:
    „Dann gute Nacht, Herr Förster. Sie wollen mich also nicht zur Anzeige bringen?“
    Der Alte hielt seine Schritte an und antwortete:
    „Zur Anzeige? Mensch, für wen oder was hältst du mich? Denkst du etwa, ich hätte kein Herz unter dem Kamisol? Hätte ich dich mit dem Stamm getroffen, den du glücklicherweise stehengelassen hast, weiß Gott, ich hätte dich aus Pflicht anzeigen müssen, so leid es mir in tiefster Seele geworden wäre; aber du bist nicht zum Spitzbuben geworden, und so kann es mir gar nicht einfallen, dich noch tiefer in das Elend zu stürzen. Und von wegen dem ‚Gute Nacht, Herr Förster‘, das laß nur fein sein! Ich selbst bin auch nur ein armer Teufel; ich habe außer einigen Deputaten nur dreihundert Gulden Gehalt und ein Stückchen armes Feld, aber es wächst doch immer einiges darauf, und für eine brave Familie, welche hungern und frieren soll, liegt gern ein Stückchen Brot in meinem Schrank!“
    Eduard fühlte sich tief gerührt, und dennoch sagte er zögernd:
    „Herr Förster –“
    „Was denn, was?“
    „Das Betteln ist uns noch niemals in –“
    „Halte den Schnabel, Junge!“ fiel ihm der Alte schnell und polternd in die Rede. „Was kommt dir in den Sinn! Habe ich dich und die Deinen jemals als Bettler, Strolche und Lumpen betrachtet? Mach keine Faxen! Wir Menschen sollen keine Steine sein, sondern eben Menschen. Wir sollen einander aus der Not helfen. Der Heiland hat aus sieben Brocken fünfhundert Brote gemacht, oder waren es gar fünftausend, nämlich dort am See Elisabeth oder Nazareth; das bringe ich nun zwar nicht fertig, aber ich kann aus Broten Brocken machen, und einen davon sollst du mit nach Hause nehmen. Also komm, und vorwärts marsch!“
    Er ging voran, und Eduard folgte ihm. Wie war dem letzteren sein Herz, welches vorher so schwer gewesen war, so leicht geworden! Er hatte die Versuchung überwunden, und der Lohn war sofort gefolgt: Er hatte die Verheißung, den hungernden Seinen eine Speise mitbringen zu können.
    Als sie an die Stelle gelangten, wo der schmale Waldpfad auf die breitere Fahrstraße mündete, welche an dem Forsthaus vorüberführte, blieb der Alte lauschend stehen und sagte:
    „Horch! Hörst du etwas?“
    „Ja; Schellengeläute.“
    „Richtig! Da unten kommt ein Schlitten. Zu dieser Zeit und bei

Weitere Kostenlose Bücher