61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig
Försterin leuchtete ihnen durch den dunklen Flur in die Wohnstube. Diese war niedrig; die Wände bestanden aus Holztäfelwerk, und die Möbel waren beinahe mehr als einfach; aber alles glänzte vor Sauberkeit, und der alte, riesige Kachelofen, welcher in der Ecke stand, strahlte eine angenehme Wärme aus.
Der Förster gab dem Fremden die Hand und meinte in seiner biederen, treuherzigen Weise:
„Willkommen also, Herr! Legen Sie das Pelzwerk ab, und machen Sie es sich bequem! Mutter, hast du mir meine Suppe aufgehoben?“
„Wie sollte ich nicht“, antwortete sie, indem sie geschäftig nach dem Ofen eilte. „Du siehst ja die Schüssel, den Teller und den Löffel dort auf dem Tisch!“
„Aber halt! Langt sie denn für uns drei?“
Da wendete sie sich schnell um, machte ein höchst zweifelhaftes Gesicht und sagte:
„Hm! Für drei? Das möchte ich bezweifeln!“
Der Fremde hatte Pelz und Hut an den Nagel gehängt. Jetzt drehte er sich um und meinte lächelnd:
„Bitte, meinetwegen keine Umstände! Ich bin nicht hungrig, und ehe ich daran denken kann, mich mit an Ihren Tisch zu setzen, muß ich mich doch erst Ihnen vorstellen, damit Sie erfahren, wer es ist, den es Ihnen so unerwartet in die Stube schneit. Gehört dieser junge Mann zu den Bewohnern Ihres Hauses?“
„Nein. Ich bin ihm zufälligerweise begegnet und habe nur ein Kleines mit ihm abzumachen.“
„So besorgen Sie das vorher. Ich habe keine Eile.“
„Das ist mir recht, denn den Eduard möchte ich nicht warten lassen. Hunger tut weh!“
Da schlug die Försterin die Hände zusammen und fragte:
„Hunger? Herr Jesus! Sind denn die Hausers in Not?“
„Ja, meine Alte. Setzen Sie sich nieder. Setze auch du dich nieder, mein Junge. Weißt du, Bärbchen, seine Leute haben nichts zu essen und auch kein Brennmaterial. Da ist in der Not ihm der Gedanke gekommen, in diesem Wetter und bei diesem Schnee in den Wald zu gehen, um ein wenig Holz zu holen. Der brave Junge ist aber wieder umgekehrt. Er hat sich doch gesagt, daß er kein Recht an dem Holz hat, und da hat er lieber frieren wollen. Was ist da zu tun, liebes Bärbchen?“
„Ja, da muß doch schleunigst geholfen werden!“ antwortete die Försterin. „So brave Leute darf man doch nicht sitzenlassen. Aber, ist denn heute nicht Lohntag gewesen?“
„Der ist allerdings gewesen. Der Eduard hat sich Tag und Nacht geschunden, aber der Seidelmann, der jedenfalls irgendeinen Pik auf ihn hat, hat seine Arbeit getadelt, ihm das Geld verweigert und ihn dann sogar abgelohnt. Er hat seinem Vater auch die Hypothek gekündigt. Ist das nicht ein Elend, he?“
„Ein großes sogar! Was soll da werden?“
„Der Eduard will zum Obersteiger und ihn um Beschäftigung bitten. Das wird auch nicht viel abwerfen, weil er kein gelernter Bergmann ist. Aber hier gibt es ja nichts anderes. Der Obersteiger ist kein schlechter Kerl; er hält etwas auf mich, und so werde ich morgen früh ein gutes Wort einlegen. Jetzt aber schütte dem Eduard die Suppe aus! Er hat's am nötigsten, und ich und der Herr hier werden schon etwas für uns finden.“
Die Försterin folgte schleunigst dieser Aufforderung. Eduard mußte sich wohl oder übel an den Tisch setzen und zulangen. Unterdessen zog der Fremde, welcher es sich in einer Weise, als ob er hier zu Hause sei, auf dem Kanapee bequem gemacht hatte, eine Zigarre heraus, welche er sich anbrannte. Er bot auch dem Förster eine an; dieser aber meinte:
„Danke, Herr! Mit diesen Dingern habe ich mich nie befreunden können. Es ist, als steckte man einem Eisbären eine Nähnadel in das Maul. Ich bleibe bei meiner Pfeife. Aber, komm her, Alte! Wollen einmal sehen, was wir für den Eduard finden. Hast du noch Brot?“
„Ich habe ja erst gestern gebacken!“
„So gib ihm eines!“
„Nicht lieber zwei? Das eine ist ja morgen schon alle!“
„Gut, Bärbchen, gut! Hast du Mehl?“
„Natürlich!“
„Gib ihm ein Pfündchen oder zwei. Kaffee?“
Da machte die Försterin eine Bewegung der Ungeduld und sagte:
„Warum so einzeln aufzählen? Ich werde ihm zusammensuchen, was er braucht.“
„Schön! Wir geben ihm den Handschlitten mit. Da mag er sich Holz, Reisig und einen Sack Kohlen aufladen. Es geht ja bergab nach der Stadt; da braucht er sich nicht anzustrengen.“
Diese Unterredung war mit gedämpfter Stimme geführt worden, so daß Eduard nichts davon hörte; da aber das Sofa näher stand, hatte der Fremde jedes Wort vernommen.
Dieser machte, wie der Förster
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