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61 Stunden: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

61 Stunden: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

Titel: 61 Stunden: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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weil diese Großmutter aus dem Bilderbuch eine Lehrerin und Bibliothekarin gewesen war. Vielleicht hatte Janet Salter eine andere Geschichte zu erzählen. Reacher freute sich darauf, sie kennenzulernen. Seine eigenen Großmütter hatte er nie gekannt. Man hatte ihm ein Schwarzweißfoto gezeigt, auf dem er als Baby auf den Knien einer streng dreinschauenden Frau saß. Die Mutter seines Vaters, hatte man ihm erzählt. Seine Großmutter mütterlicherseits war schon vor seiner Geburt gestorben.
    Der zweite Streifenwagen parkte ihm zugekehrt am Randstein. Unbeleuchtet. Der Cop auf dem Fahrersitz beobachtete ihn aufmerksam. Reacher stapfte heran und blieb drei Meter vor ihm stehen. Der Cop öffnete seine Tür, stieg aus und kam vorn um den Wagen herum. Seine Stiefel wirbelten bei jedem Schritt kleine Wolken aus Pulver auf. Er fragte: »Sind Sie Reacher?«
    Reacher nickte.
    »Ich muss Sie durchsuchen.«
    »Sagt wer?«
    »Stellvertreter des Chiefs.«
    »Wonach durchsuchen?«
    »Waffen.«
    »Sie ist über siebzig. Da bräuchte ich keine Waffen.«
    »Richtig. Aber Sie würden welche brauchen, um die Kollegen im Haus auszuschalten.«
    Dieser Beamte war ein aufgeweckter Kerl Mitte vierzig. Kom pakt, muskulös, kompetent. Ein Police Department aus zwei Hälften, eine besser, eine schlechter. Ein Neuer am Anfang der Straße, ein erfahrener Mann vor dem Haus. Reacher stellte sich breitbeinig hin, zog den Reißverschluss des Parkas auf und breitete die Arme aus. Eiskalte Luft traf auf seinen Oberkörper. Der Cop tastete ihn ab und drückte von beiden Seiten gegen seine Jackentaschen, um sich davon zu überzeugen, dass sie leer waren.
    »Sie können weitergehen«, sagte er. »Sie werden erwartet.«
    Die Einfahrt war lang, das Haus unerwartet prächtig. Es hätte in Charleston oder San Francisco stehen können und besaß alles, was ein Herrenhaus ausmachte. Eine umlaufende Veranda mit Schaukelstühlen, Dutzende von Fenstern, die Mauern mit Schindeln in Fischschuppenform verkleidet. Es wies Türmchen und mehr Buntglasfenster auf als eine Kirche. Reacher stieg die Treppe zur Veranda hinauf, polterte über die Bretter und stampfte den Schnee von seinen Stiefeln. Die massive Haustür war mit üppigen Schnitzereien verziert. Die Türglocke daneben bestand aus einem tropfenförmigen Messinggriff an einem Drahtseil, das über eine Rolle lief, bevor es durch einen Bronzezylinder in der Mauer verschwand. Vermutlich vor einem Jahrhundert bei Sears Roebuck bestellt, in einer mit Holzwolle ausgepolsterten Kiste geliefert und von einem Mann eingebaut, der sich besser mit Kutschenrädern und Hufeisen auskannte.
    Reacher zog an dem Griff. Tief im Innern des Hauses war mit einer Sekunde Verspätung ein Läuten zu hören: gedämpft, dezent und sonor. Wieder eine Sekunde später öffnete eine uniformierte Polizeibeamtin die Tür. Sie war jung, klein und schwarzhaarig. Ihre Pistole steckte im Halfter. Aber das Halfter stand offen, und sie wirkte hellwach . Außerdem sind Beamtinnen im Haus, hatte Peterson gesagt. Die besten, die wir haben, ständig mindestens vier, zwei wach, zwei schlafend.
    Die Frau fragte: »Sind Sie Reacher?«
    Reacher nickte.
    »Kommen Sie rein.«
    Die Eingangshalle wirkte düster. Sie war getäfelt, und an den Wänden hingen alte Ölgemälde. Im Hintergrund führte eine breite Treppe in den ersten Stock hinauf. Auf allen Seiten befanden sich geschlossene Türen, vielleicht aus Kastanienholz, alle auf Hochglanz poliert. Auf dem Parkett lag ein riesiger Orientteppich. Alte Radiatoren aus Gusseisen waren durch dicke Rohre verbunden. Die Heizung funktionierte, der Raum war warm. Neben der Tür stand ein Garderobenständer aus Bugholz, der beinahe unter vier neuen Winterparkas verschwand. Reacher zog seine geliehene Jacke aus und hängte sie an einen freien Haken. Sie sah aus, wie er sich fühlte: ein von neuen Modellen umgebenes schäbiges altes Stück.
    Die Uniformierte erklärte: »Mrs. Salter ist in der Bibliothek. Sie erwartet Sie.«
    Reacher fragte: »Welche Tür gehört zur Bibliothek?«
    »Kommen Sie bitte mit.« Sie ging wie ein Dienstmädchen voraus. Reacher folgte ihr zu einer der linken Türen. Die Beamtin klopfte an und trat ein. Die Bibliothek war ein großer quadratischer Raum mit hoher Decke, offenem Kamin und einer zweiflügligen Terrassentür, die in den Garten führte. Die übrigen Wandflächen verschwanden hinter Tausenden von Büchern. Vor der Terrassentür stand eine weitere Polizistin. Sie hatte die Hände auf

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