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61 Stunden: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

61 Stunden: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

Titel: 61 Stunden: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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nennen Sie alle Einzelheiten, dann halten wir den Landesverrat absolut geheim.«
    Der Kerl schwieg.
    Turner sagte: »Reden Sie nicht mit mir, führen wir die Ermittlungen öffentlich. Wir informieren die Medien. Wir erzählen CNN , wo Ihre Eltern leben, und rufen die Navy wegen Ihres Bruders an. Nicht die Offiziere. Als Erstes rufen wir seine Kameraden an.«
    Langes Schweigen.
    Dann sagte der Kerl: »Okay.«
    »Okay was?«
    »Okay, ich rede mit Ihnen.«
    »Okay, Sie reden mit wem?«
    »Okay, ich rede mit Ihnen, Ma’am.«
    Turner fuhr ihr Fenster herunter. Sie rief nach draußen: »Sagen Sie dem Piloten, dass er inzwischen zu Abend essen soll.«
    Plato, der mit seinem Piloten gesprochen hatte, legte den Hörer auf. Der Kerl hatte angerufen, um zu melden, das Wetter im Norden werde sich in den kommenden vierundzwanzig Stunden wieder verschlechtern. Noch mehr Schnee. Was Plato bereits wusste. Er hatte Satellitenfernsehen. Auf einem Betonfundament vor dem Haus war eine riesige Satellitenschüssel montiert. Die Parabolantenne war mit einem Receiver verbunden, der wiederum an einen riesigen LCD -Bildschirm von Sony an der Rückwand des Wohn zimmers angeschlossen war. Als Programm war der Weather Channel eingestellt.
    An dieser Wand befand sich jedoch nicht nur der Bildschirm von Sony, sondern hingen auch dicht neben- und übereinander achtzehn Ölgemälde. An den langen Seitenwänden waren es dreiundvierzig weitere. Und zwanzig an der Wand gegenüber dem Bildschirm. Insgesamt einundachtzig Kunstwerke. Mehrheitlich zweitklassige Werke von viertklassigen Malern. Oder drittklassige Werke von drittklassigen Malern. Oder viertklassige Werke von zweitklassigen Malern. Ein Gemälde sollte ein Monet sein, aber Plato wusste, dass es gefälscht sein musste. Monet war ein höchst produktiver Künstler gewesen. Weit verbreitet, oft kopiert. Jemand hatte einmal gesagt, von den zweitausend Gemälden Monets hingen allein in den Vereinigten Staaten sechstausend. Plato war kein Dummkopf. Er wusste, was er besaß. Und er wusste, weshalb er es besaß. Er machte sich nicht viel aus Kunst. Nicht sein Ding. Jedes Bild stellte nur ein Andenken an ein ruiniertes Leben dar.
    In die Zwischenräume zwischen den Gemälden hatte er dünne Messingstifte so eingeschlagen, dass sie jeweils ein auf dem Kopf stehendes Hufeisen bildeten. Mehrere Dutzend Hufeisen. Er hatte sie schon lange nicht mehr gezählt. Über jede dieser Anordnungen hatte er so viele Armreifen und Halsketten gehängt, wie sich darauf unterbringen ließen. Es gab Diamanten, Smaragde, Rubine und Saphire. Goldketten, Silberketten, Platinketten. An einzelnen Stiften hingen Ohrringe, aber auch Fingerringe. Eheringe, Verlobungsringe, Siegelringe, Klassenringe, große Brillantringe mit Solitären.
    Hunderte und Aberhunderte. Vielleicht sogar Tausende.
    Alles nur eine Frage der Zeit.
    Das war ein Thema, das ihn interessierte. Entscheidend war hier die Klassenzugehörigkeit. Wie lange konnten Leute durchhalten, wenn ihr Geld ausgegeben war, bevor sie anfingen, ihre Körper zu verkaufen? Wie viele Schichten gab es zwischen Nie derlage und Kapitulation, zwischen Problem und Ruin? Bei armen Leuten gab es eigentlich gar keine Zeit, gar keine Schichten. Sie brauchten sein Produkt, und sobald ihr bisschen Geld ausgegeben war, verlegten sie sich darauf zu rauben und zu stehlen und zu betrügen, und dann gingen sie auf die Straße und taten, was immer sie tun mussten. Von ihnen bekam Plato nur Geld.
    Reiche Leute waren anders. Ihr höheres Einkommen reichte länger, aber auch nicht ewig. Dann begann die allmähliche Plünderung von Sparkonten, Wertpapierdepots und allen möglichen Investments. Anschließend durchwühlten verzweifelte Hände Schubladen und Schmuckschatullen. Als Erstes kamen vergessene Stücke, auch ungeliebte oder geerbte. Sie erreichten Plato nach langer, langsamer Reise aus hübschen Vororten von Chicago und Minneapolis, Milwaukee, Des Moines und Indianapolis. Später folgten Gemälde, die von Wänden gerissen, Ringe, die von Fingern gezogen, und Ketten, die von Hälsen genommen wurden. Eine zweite Welle folgte, wenn die Eltern ausgeraubt, dann eine dritte, wenn die Großeltern heimgesucht wurden. War nichts mehr da, mussten auch die Reichen ihre Körper verkaufen. Anfangs vielleicht in Hotels, die ihnen noch Illusionen erlaubten, aber zuletzt doch immer auf dem Straßenstrich, in der Kälte, in schmutzigen Winkeln auf den Knien liegend, Männer wie Frauen, um zu tun, was getan

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