616 - Die Hoelle ist ueberall
TFT-Monitoren und einer Unzahl weiterer Elektrogeräte umgeben.
»Mein Thronsaal«, sagte Harrington feierlich und breitete die Arme aus. »Setz dich irgendwohin, nur nicht auf den schwarzen Bürostuhl.«
Neben dem schwarzen stand ein Bürostuhl aus dunkelgrü-nem Leder, der ansonsten genauso aussah. Cloister deutete auf diesen Stuhl, und als sein Freund nickte, setzte er sich. Harrington setzte sich auf seinen Stuhl, stellte den Laptop des Jesuiten auf den Tisch und schaltete ihn ein. Als das System hochgefahren war, schnippte er mit den Fingern und stürzte sich auf die Tastatur wie jemand, der un presto agitato auf dem Klavier spielt.
Cloister schwieg zunächst, um ihn nicht abzulenken, doch Harrington sagte, ohne den Blick vom Monitor abzuwenden: »Du kannst ruhig reden, wenn du willst. Ich sagte doch, ich bin ein Multitasker. Es lenkt mich nicht ab, wenn jemand redet. Nie. So etwas kenne ich gar nicht. Genauso wie reli-giöse Inbrunst. Ich weiß gar nicht, was das ist.«
Wieder schweifte er ab und gab Kostproben seines seltsamen Humors. Doch dann kehrte er zum eigentlichen Problem zurück, um auf eine Schwierigkeit hinzuweisen.
»Wir brauchen einen Filter, der nicht nur die Nebengeräu-sche eliminiert, sondern alles, was das Flüstern, das du hören willst, verfälschen könnte. Sonst bekommen wir einen einzigen Mischmasch. Und das wäre wirklich scheiße, nicht wahr? Besser, wir bestimmen mehrere Filterebenen.«
»Wie willst du das machen? Ich bin ja kein Experte, aber ganz ahnungslos bin ich auch nicht. Kann man gleichartige Geräusche unterscheiden? Kannst du es?«
»Deine Zweifel kränken mich. Sie verletzen mich sogar. Denn selbstverständlich kann ich das, du skeptischer Priester. Selbstverständlich kann ich das. Es ist ein militärisches Geheimnis, aber das interessiert mich einen feuchten Kehricht … Mit dieser Art Filter kann die Armee in, sagen wir, geräuschvol-len Umgebungen so einwandfreie Gespräche führen, als be-fänden sich die Soldaten in einem schalltoten Raum. Das ist Grundwissen.«
»Ja, für dich«, meinte Albert.
»Keineswegs. Es gibt mindestens zehn Ingenieure außer mir, die darüber Bescheid wissen. Mit der gleichen Eleganz im Code vielleicht fünf. Siehst du? So schwer ist das gar nicht. Und nun lenk dich bitte mit irgendetwas ab, anstatt mich abzulenken. Ich fange jetzt nämlich mit dem Programmieren an.«
Diese Arbeit hatte das verrückte Genie bereits nach wenigen Minuten beendet. Mit feierlicher Geste führte Harrington den Mauszeiger vor den Augen seines verdutzten Freundes zum Speicherknopf und klickte darauf. Er wandte sich Albert zu, deutete einen unbeholfenen militärischen Gruß an und verkündete: »Geschafft. Fertig. Erledigt. Jetzt schalte ich dei-nen Laptop aus, denn da ist jetzt das, was du brauchst, gespei-chert, und du kannst damit machen, was du willst.«
»Wollen wir es denn nicht ausprobieren?«, fragte Cloister, irritiert, dass Durand seine Filteranwendung nicht einmal tes-ten wollte.
»Ich teste meine Codes nie. Wozu? Das ist für die Furcht-samen unter den Informatikern. Ich hoffe, das hast du nicht gefragt, weil du denkst, das, was ich gerade geschrieben habe, könnte nicht funktionieren … Außerdem geht es doch um einen Exorzismus, und ich habe schon genug mit mir selbst zu tun, da kann ich also gut drauf verzichten … Ich möchte lie-ber weiter so gut schlafen wie bisher! Ich habe getan, worum du mich gebeten hast. Jetzt möchte ich damit nichts mehr zu schaffen haben.«
Dieser seltsame Mensch war immer noch so einzigartig und genial wie damals, als Albert ihn vor nunmehr fünfzehn Jah-ren in einem Physikhörsaal der Universität Chicago kennengelernt hatte. Alle übrigen Kommilitonen hatten ihn argwöh-nisch beäugt, hinter seinem Rücken über ihn gelacht und ihn ausgesondert, als wäre er ein Ungeheuer. Doch Albert hatte sogleich erkannt, dass er etwas Besonderes war. Trotz aller Schwierigkeiten, die Harringtons Persönlichkeit mit sich brachte, hatten sie Freundschaft geschlossen und sich gegenseitig mit ihren Ideen und ihren Vorstellungen von der Welt befruchtet. Das waren gute Zeiten gewesen.
Nachdem er seinem Freund für dessen großzügige Hilfe gedankt hatte, drückte er ihm fest die Hand, bat ihn, sich zu mäßigen – wenigstens ein bisschen –, und ging. Für einige Stunden war er von seinen Problemen abgelenkt worden. Nun schlug die Realität erneut zu. Doch jetzt verfügte er über eine Geheimwaffe.
Sobald Cloister
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